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Kolibri

Kolibri

Titel: Kolibri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Benvenuti
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durchlässt.“
    â€žUnd das hat gewirkt?“
    â€žHinter mir stand ein Filmteam aus Deutschland. Die hätten ihre drei Gehirnzellen für eine Szene hergegeben, wie ich sie angedroht habe.“
    â€žHätten Sie’s getan?“
    â€žFür Karl? Sicher.“
    â€žSchön, so einen Freund zu haben.“
    â€žDas stimmt“, sagte Kollaritz.
    Hightower griff in die Brusttasche ihrer Latzhose und beförderte eine kleine Spraydose zutage.
    â€žWas ist das?“, fragte Kollaritz. „Tränengas?“
    â€žNein“, sagte Hightower. „Das sprüht man in den Mund, zum Abnehmen. Dämpft das Hungergefühl.“
    Kollaritz griff nach der Dose, vergebens, denn Hightower war schneller, und sagte: „Als Arzt kann ich Sie nur vor so einem Zeug warnen. Außerdem haben Sie das gar nicht nötig, glauben …“
    â€žWerden Sie nicht unverschämt“, sagte Hightower und schnippte mit den Fingern, „das ist für den Hund.“
    Nubia erhob sich etwas ungelenk und gähnte ausgiebig. Hightower sprühte ihr zwei Ladungen des Sprays ins Maul, was Nubia mit einem Kopfschütteln quittierte, ehe sie sich wieder hinlegte.
    â€žWerden Sie ihm helfen?“, fragte Kollaritz und musterte die Fabrik. Er spürte, dass er wütend wurde, wütend auf Berger, der seinen Freund in so eine Situation gebracht hatte, und eine Sekunde lang verspürte er den Wunsch, Karl würde diesen Betonklotz wirklich in die Luft sprengen.
    â€žWem, Karl?“
    Kollaritz nickte.
    â€žWenn er klug ist und das tut, was ich hoffe, dass er tut, dann ja.“
    â€žUnd was wäre das?“
    Fritz Drechsler saß neben Widmaier auf dem Holzstapel, hungrige Mücken surrten in einer nervtötenden Tonlage um sie herum, und verfolgte mit Interesse die Geschichte des Bombenlegers und Geiselnehmers Karl Michael Baumgartner. Eine weibliche, angenehme Stimme kommentierte aus dem Off verschiedene Bilder, die meisten zeigten nur die Außenseite der Fabrik zu diversen Tages- und Nachtzeiten. Dazwischen waren einige unscharfe Fotos von Baumgartner eingeblendet und frühere Schulkameraden sprachen ein paar Sätze, wie der Karli als Bub denn so gewesen war. Die ganze Geschichte ließ sich, wenn Drechsler nichts Gröberes verpasst hatte,ungefähr so zusammenfassen: Karls Vater ist lange als Ingenieur im Ausland tätig gewesen, wo er an diversen Großprojekten, wie zum Beispiel dem Bau von Staudämmen, mitgearbeitet hat. Bei einem dieser Aufenthalte lernt er seine zukünftige Frau kennen, die als Entwicklungshelferin arbeitet. Sie heiraten, gehen zurück nach Wien, wo beide herstammen, und bald darauf kommt Karl zu Welt. Der Vater fährt wieder ins Ausland und entwickelt zusehends radikale Ansichten. Er gerät mit dem Betreiber einer Großbaustelle irgendwo in Afrika in Streit und fliegt raus. Er geht zurück nach Wien und arbeitet als Lagerverwalter im
Konsum
, bis zur Pleite des Unternehmens. Er wird immer frustrierter und schließt sich Leuten an, die man heute wohl als Globalisierungsgegner bezeichnen würde. Nach Karls Matura geht seine Mutter wieder nach Afrika. Karl beginnt zu studieren. Er nimmt an einem Forschungsprojekt in Costa Rica teil, kommt zurück nach Wien, macht seinen Magister, fängt kurz darauf bei Amnat an. Und verschanzt sich wenige Monate später mit einer Bombe und einer Geisel in eben dieser Firma.
    â€žDer Junge hat seinen Vater in den ersten Jahren nicht gerade oft gesehen“, sagte Widmaier und spuckte auf den Boden.
    â€žUnd du denkst, deshalb steckt er jetzt in diesem Schlamassel?“
    Widmaier zuckte mit den Schultern und massierte sich die Nackenmuskeln mit seiner Pranke. „Keine Ahnung. Ich glaub nur, dass es nicht gut ist, wenn ein Junge seinen Vater in den ersten zehn Jahren oder so praktisch nur von Briefen und Telefonaten her kennt. Wahrscheinlich hat ihm nie jemand gezeigt, wie man einen Haken an eine Angelschnur bindet oder einen Drachen bastelt, oder ist mit ihm mit dem Auto durch die Gegend gerast.“
    â€žEr hatte ja seine Mutter.“
    â€žDas ist nicht das Gleiche“, sagte Widmaier bestimmt.
    â€žWeil Frauen keine Angelknoten können?“
    â€žWeil’s eben nicht das Gleiche ist, deshalb“, sagte Widmaier trotzig.
    Drechsler dachte an Baumgartners Mutter. Er kannte die Frau zwar nicht, aber er konnte sich in etwa vorstellen, wie es sein musste,zwei

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