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Kolibri

Kolibri

Titel: Kolibri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Benvenuti
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Rollen gleichzeitig zu verkörpern und für beide nur geringe Anerkennung zu bekommen. Die Frau tat ihm irgendwie leid.
    Widmaier stand seufzend auf, machte ein paar steifbeinige Schritte und blieb schließlich neben einem Laternenmast stehen, der blass in den nächtlichen Himmel ragte wie ein knochiger, mahnender Finger. Während er mit der Schuhspitze über eine der in den Boden eingelassenen Metallplatten schrammte, die die Parkplätze nummerierten, blickte er hinüber zur Fabrik, prostete Karl mit einem imaginären Glas zu und sagte leise: „Ich wünsch dir viel Glück, mein Junge.“

VIERUNDZWANZIG
    Karl stellte die Weinflasche auf Bergers Schreibtisch und machte sich auf die Suche nach zwei Gläsern. Er riss diverse Kästen auf, zog Schubladen heraus und wurde schließlich in einem kleinen Kästchen, das neben dem Kühlschrank stand, fündig. Er entdeckte auch noch einen Korkenzieher und hantierte eher ungeschickt damit herum, während Maria es sich auf dem Sofa bequem machte, die Kamera neben sich legte und die Beine lässig ausstreckte. Er füllte zwei Gläser, Wassergläser, aber was soll’s, Weingläser hatte er keine gefunden, gab eines davon Maria und wanderte, mit dem anderen in der Hand, im Büro auf und ab.
    â€žIrgendwas riecht hier drin komisch“, sagte er, nachdem er einige Schlucke Wein genommen hatte, der, soweit er das als Laie beurteilen konnte, ganz passabel schmeckte.
    Maria zog ihr keckes Näschen kraus und schnüffelte ostentativ. „Ich weiß nicht“, sagte sie. „Vielleicht der Wein.“
    Karl schüttelte den Kopf. „Der Wein ist in Ordnung, nein“, er machte ein paar Schritte, seine Nase zitterte wie die eines Hundes, „irgendwas riecht hier so … faulig.“ Er tigerte weiter durchs Büro,schnüffelte hier und schnüffelte da und entdeckte schließlich zwei feuchte Schlieren am Boden.
    â€žWas ist das?“, fragte Maria und beugte sich neugierig vor, ein Fehler, denn sofort schoss ihr ein scharfer Schmerz von der Schulter direkt ins Gehirn. Sie stöhnte auf und ließ sich zurück in die Polster des Sofas fallen, wobei sie ein wenig von ihrem Wein verschüttete, der auf dem Stoff helle Fleckenmuster bildete.
    Karl, der am Boden kniete, das Glas neben sich, strich mit den Fingerspitzen über die feuchten Schlieren und roch dann an seinen Fingern. „Hab wahrscheinlich vorhin etwas verschüttet“, sagte er ein wenig zögerlich. „Ich meine, außer uns ist ja niemand hier, oder?“ Er wartete auf eine Antwort, hörte aber nur ein unterdrücktes Stöhnen. Mit knackenden Kniegelenken erhob er sich und drehte sich zu Maria um, die mit schmerzverzerrtem Gesicht schräg auf dem Sofa lag, das Glas umklammernd, die Augen geschlossen.
    Karl setzte sich auf die Lehne und legte ihr vorsichtig die Hand auf den Oberschenkel. „Was ist los?“, fragte er und wischte Schweißtropfen von Marias Stirn.
    â€žNichts“, murmelte Maria, „es geht schon wieder.“
    Nicht restlos überzeugt, klopfte Karl ihr auf die Schulter, und Maria schrie auf und zuckte vor ihm zurück, wobei sie das Glas fallen ließ, das auf dem Teppich vor dem Sofa landete und zerbrach; die Scherben vermengten sich mit denen von Karls Rumflasche.
    Karl nahm ihr Gesicht in beide Hände, zwang Maria, ihn anzuschauen, und sagte: „Okay, was ist los?“
    â€žDie Schulter“, flüsterte Maria mit zusammengebissenen Zähnen, „links.“
    â€žRutsch ein Stück rüber“, sagte er und setzte sich, nachdem Maria ein paar Zentimeter zur Seite gerückt war, neben sie. Mit spitzen Fingern knöpfte er ihre Bluse auf, die an der linken Schulter einen Riss aufwies, der von getrocknetem Blut umrahmt war. Vorsichtig half er Maria, zuerst den linken, dann den rechten Arm aus der Bluse zu ziehen, was ihr ein mit schmerzverzerrtem Gesicht ausgestoßenes Stöhnen entrang. Achtlos warf Karl die Bluse auf denBoden und begutachtete, so gut das trotz des T-Shirts, das Maria trug, die Wunde in ihrer linken Schulter. Ein dünner, grauer Plastiksplitter steckte in ihrem Fleisch, er hatte in etwa die Form und Größe eines angekauten Eisstäbchens und ragte knapp einen halben Zentimeter heraus. Das weiße T-Shirt mit dem verwaschenen
Svelte-Mincer
-Aufdruck war um die Wunde herum dunkelrot gefärbt.
    â€žWarum hast du nicht gesagt,

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