Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)
»Funkkommunikation«, sagte er.
Die Delta-Leute nannten der Reihe nach ihre Nummern – die gleichen, die in Weiß auf ihren Helmen standen. Dann zogen sie die Sturmhauben nach unten und strafften die Riemen ihrer MP 5-Maschinenpistolen.
»Ich zähle von fünf runter, dann gehen wir rein. Fünf, vier …«
Harry war unsicher, ob es sein Adrenalin oder das der anderen war, aber der Geruch war eindeutig. Bitter, salzig, wie die Knallplättchen einer Spielzeugpistole.
Die Türen gingen auf, und Harry sah die Wand aus schwarzen Rücken durch das Tor zum Eingang laufen, wo sie verschwanden.
Er stieg aus dem Wagen und rückte die schusssichere Weste zurecht. Das Shirt darunter war bereits verschwitzt. Auch Falkeid stieg aus, nachdem er die Schlüssel aus dem Schloss gezogen hatte. Harry erinnerte sich dunkel an eine Episode, bei der die Gesuchten einer Blitzaktion mit einem Polizeiwagen geflohen waren, in dem der Schlüssel steckte. Harry reichte Falkeid die Glock.
»Ich habe nicht die Autorisierung, eine Waffe zu tragen.«
»Doch, jetzt schon. Vorübergehend«, sagte Falkeid. »Die Situation erfordert das. Polizeiparagraph XY , keine Ahnung.«
Harry lud die Pistole und lief über das Kiesrondell, als ein junger Mann mit krummem Pelikanhals aus dem Haus gerannt kam. Sein Adamsapfel ging hektisch auf und ab. Der Name auf dem Namensschild an seinem schwarzen Jackenrevers stimmte mit dem Namen des Mannes an der Rezeption überein, mit dem er eben telefoniert hatte.
Er hatte ihm nicht sagen können, ob der Gast in seinem Zimmer oder sonst irgendwo im Haus war, hatte sich aber angeboten, das zu überprüfen. Harry hatte ihm mit allem Nachdruck verboten, das zu tun, und gesagt, er solle ganz normal weiterarbeiten und sich nichts anmerken lassen, wenn er sich oder die anderen nicht in Gefahr bringen wolle. Der Anblick von sieben bis an die Zähne bewaffneten Männern hatte die Anweisung, sich nichts anmerken zu lassen, allem Anschein nach pulverisiert.
»Ich habe ihnen den Generalschlüssel gegeben«, sagte der Mann mit markant osteuropäischem Akzent. »Sie haben gesagt, dass ich nach draußen gehen soll …«
»Stellen Sie sich hinter unseren Wagen«, flüsterte Falkeid und zeigte mit dem Daumen über die Schulter nach hinten. Harry ließ sie stehen und begab sich mit gezückter Waffe auf die Rückseite des Hauses. Ein schattiger Garten mit alten Apfelbäumen erstreckte sich bis zum Zaun des Nachbargrundstücks. Auf der Terrasse saß ein älterer Mann und las den Daily Telegraph , ließ dann aber die Zeitung sinken und blickte über seine Lesebrille hinweg zu ihm rüber. Harry zeigte auf die gelben Buchstaben vorne auf seiner Weste, die das Wort POLIZEI bildeten, legte den Zeigefinger an die Lippen, erhielt ein kurzes Nicken als Antwort und konzentrierte sich auf die Fenster im dritten Obergeschoss. Der Portier hatte ihnen erklärt, in welchem Zimmer der vermeintliche Weißrusse wohnte. Es führte nur ein Flur dorthin, eine Sackgasse, und das Fenster ging zum Garten raus.
Harry schob den Ohrhörer zurecht und wartete.
Nach ein paar Sekunden war das dumpfe, gedämpfte Knallen der Schockgranate zu hören, gefolgt von dem Klirren von Glasfenstern.
Der Luftdruck hatte den Effekt, dass diejenigen, die sich im Raum befanden, für eine begrenzte Zeit taub und orientierungslos waren. Selbst trainierte Leute waren durch die Lautstärke in Kombination mit dem grellen Licht und dem plötzlichen Erstürmen für die ersten zwei, drei Sekunden wie gelähmt. Und mehr als drei Sekunden brauchte Delta nicht.
Harry wartete. Dann kam die gedämpfte Stimme durch den Ohrhörer. Mit den zu erwartenden Worten.
»Raum 406 gesichert. Objekt nicht angetroffen.«
Die Fortsetzung ließ Harry laut fluchen.
»Sieht aus, als wäre er hier gewesen und hätte seine Sachen geholt.«
Harry stand mit verschränkten Armen draußen vor dem Zimmer 406, als Katrine und Bjørn ankamen.
»Pfostenschuss?«, fragte Katrine.
»Und das bei weit offenem Tor«, sagte Harry und schüttelte den Kopf.
Sie gingen nach ihm ins Zimmer.
»Er ist direkt hierhergefahren und hat alles mitgenommen.«
»Wirklich alles?«, fragte Bjørn.
»Ja, von zwei gebrauchten Q-tips und zwei Straßenbahntickets abgesehen, die wir im Müll gefunden haben. Plus den Rest eines Tickets für ein Fußballspiel, das wir – glaube ich – gewonnen haben.«
»Wir?«, fragte Bjørn und sah sich in dem austauschbaren Hotelzimmer um. »Meinst du
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