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Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)

Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)

Titel: Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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entsetzt ausgesehen, als Harry auf ihn zugekommen war und ihn gebeten hatte, gemeinsam mit ihm zu warten, bis ein Kollege von ihm da sei.
    »He, Mann, das ist ganz normaler Tabak!«, hatte er gesagt und Harry die Zigarette gereicht.
    Als Arnold dann da war, hatten sie die Aussage des Studenten aufgenommen und sich unterschreiben lassen, bevor sie in einem verstaubten Fiat unbestimmbaren Baujahrs in die Kriminaltechnik gefahren waren, wo aufgrund der Polizistenmorde rund um die Uhr gearbeitet wurde. Dort hatten sie Harry ausgezogen, und während jemand seine Kleider und Unterwäsche untersucht hatte, hatten zwei männliche Mitarbeiter seine Geschlechtsteile und seine Hände mit Speziallampen und Kontaktpapier überprüft. Danach hatten sie ihm einen leeren Plastikbecher gegeben.
    »Alles rein, Hole. Wenn der Platz denn reicht. Das Klo ist hinten im Gang. Und denken Sie an was Nettes, okay?«
    »Hm.«
    Harry hatte das unterdrückte Lachen mehr gespürt als gehört, als er gegangen war.
    Denken Sie an was Nettes.
    Harry fingerte an der Kopie des Berichts herum, der auf dem Küchentisch lag und den Hagen ihm privat und ganz diskret geschickt hatte. Größtenteils bestand er aus medizinischen Fachausdrücken. Aber ein klein bisschen was verstand er trotzdem. Auf jeden Fall genug, um zu erkennen, dass Rudolf Asajevs Tod genauso rätselhaft und unerklärlich war wie sein Leben. Und dass sie aus Mangel an Hinweisen auf ein Fremdverschulden von einem Herzinfarkt ausgehen mussten. So etwas konnte jedem passieren.
    Als Mordermittler konnte Harry ihnen belegen, dass so etwas nicht passierte. Ein Kronzeuge starb nicht durch einen blöden Zufall.
    Was hatte Arnold gesagt? In vierundneunzig Prozent aller Fälle lag Mord vor, wenn jemand durch seine Aussage viel zu verlieren hatte.
    Das Paradoxe daran war natürlich, dass Harry selbst zu denen gehörte, die bei einer Aussage von Asajev viel zu verlieren hatten. Sehr viel. Warum sollte er sich also darum kümmern? Warum sich nicht einfach im Stillen bedanken, den Kopf senken und weiterleben? Die Antwort darauf war einfach. Er hatte, was diesen Punkt anging, einen Funktionsschaden.
    Harry schob den Bericht an die hinterste Ecke des langen Eichentischs und beschloss, ihn am nächsten Tag zu vernichten. Jetzt musste er schlafen.
    Und an etwas Nettes denken.
    Harry stand auf und zog sich auf dem Weg ins Bad aus. Er stellte sich unter die Dusche und drehte nur das heiße Wasser an. Spürte es prickeln und heiß auf der Haut brennen. Ihn bestrafen.
    An etwas Nettes denken.
    Er trocknete sich ab, kroch unter die saubere weiße Decke ihres Doppelbettes, schloss die Augen und versuchte, sich mit dem Einschlafen zu beeilen. Aber die Gedanken waren schneller als der Schlaf.
    Er hatte an sie gedacht.
    Als er da drinnen in der Toilettenkabine mit geschlossenen Augen dagestanden und sich mit aller Macht an einen anderen Ort gewünscht hatte, waren seine Gedanken zu Silje Gravseng gewandert. Zu ihrer weichen sonnenbraunen Haut, ihren Lippen, er hatte ihren heißen Atem auf seinem Gesicht gespürt, sah die wilde Wut in ihrem Gesicht, ihren muskulösen Körper, ihre Rundungen, die Festigkeit, all die ungerechte Schönheit der Jugend.
    Er spürte ihre Hand, die über seinen Gürtel strich und sich auf seinen Bauch legte. Ihren Körper, der sich an seinen drücken wollte. Den Polizeigriff. Sah ihren Kopf fast am Boden, hörte ihr protestierendes Stöhnen, sah den gebogenen Rücken und ihren erhobenen Po. Verdammte Scheiße!
    Er richtete sich im Bett auf. Rakel lächelte ihn mild von dem Foto auf dem Nachttischchen an. Warm, klug und allwissend. Aber was wusste sie eigentlich von ihm? Wenn sie nur fünf Sekunden in seinem Kopf zubringen und sehen könnte, wer er eigentlich war, würde sie dann schreiend davonstürzen? Oder waren wir tief drinnen in unseren Köpfen alle ein bisschen verrückt, lag der Unterschied nur darin, wer das Monster losließ und wer nicht?
    Er hatte an sie gedacht. Und sich vorgestellt, wie er genau das tat, was sie dort auf seinem Schreibtisch sitzend von ihm gewollt hatte. Er stieß den Stapel Tests zur Seite, so dass die Papiere wie gelbe Schmetterlinge durch den Raum flogen, grobe Blätter mit kleinen schwarzen Ziffern über die Anzahl von Morden, Überfällen, Sexualstraftaten, Ehrenmorden und schwerem Raub. Er hatte an sie gedacht, als er im Klo gestanden und den Becher bis zum Rand gefüllt hatte.

Kapitel 21
    B eate Lønn gähnte, kniff die Augen zusammen und sah durch

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