Komm, dunkle Nacht
die gleiche High School. Sie kennen sich.«
»Erzählen Sie mir nichts von ihnen.«
»Warum nicht?«
Weil es ihr das Herz zerriss. »Es ist schon schwer genug, einen Fremden zu suchen, aber wenn man ein Bild vor Augen hat, ist es noch schlimmer.«
Er sah sie verständnisvoll an. »Vielleicht sind Sie und Ihr Hund sich ziemlich ähnlich. Ich denke, auch Sie könnten versucht sein, ins Wasser zu springen, wenn wir die Leichen finden.«
»Nicht mehr. Bei meinen ersten Wassersuchen wollte ich es tun. Der Tod unter Wasser muss schrecklich sein. Man hat das Bedürfnis, die Opfer aus der Dunkelheit wieder ans Licht zu ziehen.«
»Aber inzwischen sind Sie abgehärtet?«
»Das nicht, aber ich muss schon Montys wegen
Selbstbeherrschung üben. Mein Job ist es, sie zu finden. Bergen muss sie jemand anderes.«
»So wie ich.«
»So wie Sie. Aber ich werde nicht dabei sein. Wenn wir sie aufgespürt haben, fahren Monty und ich nach … Was ist?«
Chavez war plötzlich stehen geblieben und blickte über die Schulter zurück. »Nichts. Eine Gans ist über mein Grab gelaufen.«
»Was?«
»Ich hatte so ein komisches Gefühl im Nacken.« Er ließ den Blick in die Runde schweifen. »Als ob uns jemand beobachtet.«
Sie musterte die Bäume, die um sie herumstanden. Sie konnte nichts entdecken und fühlte auch nicht wie Chavez eine unbestimmte Bedrohung.
»Schon gut. Es ist wahrscheinlich nichts.« Er schüttelte den Kopf. »Es gibt Bären hier oben, wissen Sie. Und die treiben sich mit Vorliebe in der Nähe der Raststätten herum und suchen in den Abfalltonnen nach Nahrung.«
Wahrscheinlicher war, dass Henry Smith sein Versprechen hielt, sich nicht in ihrer Nähe blicken zu lassen.
»Es könnte auch ein Freund von mir sein, er ist mir hierher gefolgt. Ich habe ihm gesagt, er soll mir nicht in die Quere kommen.«
»Er ist Ihnen gefolgt? Warum?«
»Er ist ein bisschen überängstlich. Das ist eine lange Geschichte, die Sie nicht interessieren würde.«
»Und ob mich das interessiert.« Sein Ausdruck war. nüchtern.
»Man sollte vorsichtig sein mit solchen Leuten. Viele Frauen müssen irgendwann feststellen, dass diese Überängstlichkeit ein Symptom …«
»Machen Sie sich um mich keine Sorgen.« Höchste Zeit, das Thema zu wechseln, bevor Chavez auch noch anfing, sie beschützen zu wollen. Sie waren auf dem Hügelkamm angekommen und der See lag ausgebreitet zu ihren Füßen.
»Wie schön. Ich hatte fast vergessen …«
»Sind Sie schon mal hier gewesen?«
»Vor Jahren. Mein Großvater hat mir den See gezeigt. Er liebte diese Gegend.«
Sie sah auf den blauen See hinab. Es war unvorstellbar, dass unter dieser überwältigenden Schönheit die Leichen jener Kinder verborgen lagen. Der Gedanke war unglaublich traurig.
Machen wir unseren Job und hauen wir ab, dachte Sarah. »Wo ist das Boot?«
Chavez wies die Böschung hinab auf eine Stelle, die von ihrem Standort ungefähr fünfzig Meter entfernt war. »Die letzten Spuren, die wir gefunden haben, sind da unten. Aber von da an wird der Untergrund fester und es kann gut sein, dass sie noch eine Meile oder zwei weitergefahren sind.« Er ging los, die Böschung hinab, und reichte ihr die Hand. »Erlauben Sie mir, Ihnen zu helfen. Der Boden ist verdammt schlüpfrig.«
Seine Hand war warm und fühlte sich gut an. Sie spürte noch immer das Frösteln nach jenem ersten Blick auf den See und es tat gut, sich an jemandem festhalten zu können. Sie blickte über
die Schulter zurück, entdeckte aber keine Anzeichen dafür, dass ein Wagen über das Gestein gefahren war. Sie verstand, warum es für Chavez nicht leicht war zu entscheiden, wo der Wagen möglicherweise ins Wasser gestürzt war.
»Haben Sie was gehört?« Der Blick von Chavez folgte ihrem.
»Nein, ich habe mir nur den Schiefer angesehen.«
Neckend fügte sie hinzu: »Kein Bär weit und breit.«
»Ich dachte, ich hätte gehört, wie … es waren wohl unsere eigenen Schritte, auf diesem Schiefer hallt es so komisch.«
Chavez half ihr ins Boot und Monty sprang hintendrein. »Wo wollen Sie anfangen?«
»Sagen Sie’s mir.« Ihr Blick wanderte zum anderen Ende des Sees. Dort waren etliche Streifenwagen, Fahrzeuge des Sheriffs und Beamte auszumachen. »Ist das Ihre Einsatzzentrale?«
»Ja.« Er winkte einem Beamten zu und der Mann winkte zurück. »Die Eltern sind auch da. Ich bin froh, dass wir ein gutes Stück weit weg sind. Ich habe den Jungs gesagt, sie sollen die Eltern vom See fern halten, damit sie Sie nicht
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