Komm und küss mich!: Roman (German Edition)
Wissenschaftsprojekt nicht so macht, wie es soll?«
»Die Frage kommt mir gar nicht theoretisch vor«, erwiderte Holly Grace trocken.
»Was bedeutet das?«
»Daß du es besser richtig gemacht hättest!«
»Aber es ist so was Doofes!« begehrte Teddy auf. »Warum soll man denn Käfer töten und mit Nadeln aufspießen? Findest du das etwa nicht doof?«
Holly Grace dämmerte es. Obwohl Teddy ganz wild auf Kriegsspiele war und jedes Stück Papier mit Waffen und bluttriefenden Messern vollkritzelte, war er im Grunde seines
Herzens ein Pazifist. Einmal war er siebzehn Stockwerke mit dem Fahrstuhl hinuntergefahren, um eine Spinne auf der Straße freizulassen. »Hast du schon mit deiner Mutter darüber gesprochen?«
»Ja. Sie hat meine Lehrerin angerufen und gefragt, ob ich die Käfer nicht einfach zeichnen könnte, statt sie zu töten. Aber Miß Pearson hat nein gesagt. Und dann haben sie sich gestritten, und Miß Pearson hat den Hörer aufgeknallt. Mom kann sie nicht leiden. Sie sagt, sie setzt die Kinder unter Druck. Und dann hat Mom gesagt, sie will die Käfer für mich töten.«
Holly Grace verdrehte die Augen bei der Vorstellung, Francesca könnte irgendein Lebewesen töten. Ihr war schon sonnenklar, wer am Ende die undankbare Aufgabe übernehmen müßte. »Damit wäre dein Problem doch gelöst , oder?«
Teddy sah sie empört an. »Wofür hältst du mich eigentlich? Auch wenn ich sie nicht selbst töte – hinterher sind sie doch trotzdem tot.«
Holly Grace sah ihn lächelnd an. Sie liebte dieses Kind, o ja!
Naomi Jaffe Tanaka Perlmans komisches kleines Häuschen lag in einer Kopfsteinpflasterstraße mitten im Village. Hier gab es noch die einzigen Laternenpfähle in New York, deren Form an einen Bischofsstab erinnerte. Die weißgetünchte Backsteinfassade von Naomis Haus war überwuchert von winterlich blätterlosen Ranken. Naomi hatte es von dem Geld gekauft, das sie mit ihrer Werbeagentur verdient hatte, die sie vor vier Jahren gegründet hatte. Sie wohnte hier mit ihrem zweiten Mann, Benjamin R. Perlman, Professor der Politologie an der Columbia-Universität. Soweit Holly Grace es beurteilen konnte, hatten die beiden ihre Ehe im Himmel der Linksradikalen geschlossen. Sie spendeten Geld für jeden noch so hirnverbrannten Zweck, gaben Cocktailpartys für Leute, die die CIA in die Luft sprengen wollten, und arbeiteten zur Entspannung einmal pro Woche in einer Suppenküche.
Trotzdem mußte Holly Grace zugeben, daß sie Naomi noch nie so ausgeglichen erlebt hatte. Naomi hatte ihr anvertraut, daß sie sich zum ersten Mal in ihrem Leben als ganzer Mensch fühlte.
Naomi watschelte mit Holly Grace in das gemütliche Wohnzimmer. Das war schon etwas übertrieben, fand Holly Grace, schließlich war sie erst im fünften Monat. Holly Grace wollte es nicht gelingen, ihre Neidgefühle zu unterdrücken. Naomi war seit den SASSY-Tagen eine gute Freundin gewesen. Aber wenn sie Naomi sah, geriet sie in Torschlußpanik. Wenn sie nicht bald ein Baby bekäme, wäre es zu spät.
»Und jetzt falle ich in Naturwissenschaften durch!« ließ Teddy sich aus der Küche vernehmen.
»Aber das ist ja eine furchtbare Gemeinheit«, erwiderte Naomi. »Du solltest eine Eingabe machen. Es ist eine Verletzung der bürgerlichen Rechte. Ich rede mal mit Ben darüber.«
»Nein, danke! Mom hat mir schon genug Schwierigkeiten gemacht, als sie mit der Lehrerin telefoniert hat.«
»Sag mal, Holly Grace, hast du auch schon von dem bescheuerten Insektenmordprojekt an Teddys Schule gehört? An Francescas Stelle würde ich die Lehrerin verklagen.«
Holly Grace nippte an ihrem Cocktail. »Ich glaube, Francesca hat im Moment an wichtigere Dinge zu denken.«
Naomi lächelte wissend, warf einen verstohlenen Blick auf Teddy, der sich ins Schlafzimmer verzog, um Bens Schachbrett zu holen.
»Glaubst du wirklich, daß sie’s tut?« flüsterte sie.
»Schwer zu sagen. Wenn du Francesca mit Teddy auf dem Teppich herumtollen siehst, ist es schwer vorstellbar. Aber wenn sie sich gekränkt fühlt und diese hochnäsige Miene aufsetzt, vermutet man unwillkürlich blaues Blut in ihren Adern. Dann hält man es wirklich für möglich.«
Naomi machte es sich am Kaffeetisch bequem, sie saß behäbig mit gekreuzten Beinen da wie ein schwangerer Buddha.
»Ich bin ja aus Prinzip gegen die Monarchie, aber ›Prinzessin Francesca Serritella Day Brancuzi‹ klingt wirklich gut.«
Teddy kam mit dem Schachbrett herein und legte es auf den Kaffeetisch. »Dieses Mal mußt
Weitere Kostenlose Bücher