Komm und küss mich!: Roman (German Edition)
war, machte gar nichts mehr richtig Spaß. Er war die ganze Zeit verwirrt, als ob jeden Augenblick ein Monster aus dem Schrank springen würde. Und jetzt flog er vielleicht aus der Klasse.
Teddy wußte, er müßte sich was ganz Tolles für das Sozialkundeprojekt einfallen lassen nach seiner Pleite mit den Käfern in Naturkunde. Er mußte alle anderen übertrumpfen, sogar den blöden Milton Grossman, der an Bürgermeister Ed Koch schreiben wollte, ob er vielleicht einen Tag mit ihm verbringen
dürfte. Miß Pearson war sehr angetan von dieser Idee. Sie hielt Milton den anderen Kindern als gutes Beispiel vor. Teddy konnte nicht ganz nachvollziehen, wieso ein Junge, der in der Nase bohrte und nach Mottenkugeln roch, ein Vorbild sein sollte.
Consuelo begrüßte ihn an der Tür. »Heute ist ein Paket für dich gekommen. Es liegt in deinem Zimmer.«
»Ein Paket?« Teddy zog sich die Jacke im Flur aus. Weihnachten war doch längst vorbei, sein Geburtstag noch lange nicht, und Valentinstag erst in zwei Wochen. Warum bekam er also ein Paket?
In seinem Zimmer entdeckte er einen riesigen Pappkarton. Er sah sofort, daß er aus Wynette, Texas, kam. Er schob sich die Brille auf die Nase zurück und begann, auf seinem Daumennagel herumzukauen. Einerseits wünschte er sich, daß Dallie ihm ein Paket schickte, andererseits wollte er am liebsten gar nicht mehr an Dallie denken. Egal was er tat, immer schien das Monster im Schrank auf ihn zu lauern.
Mit einer Schere schlitzte er das Klebeband auf, riß die Seitenklappen auseinander und suchte nach einem kleinen Zettel. Er fand aber nur kleinere Schachteln und öffnete eine nach der anderen. Als er alles ausgepackt hatte, saß er wie benommen da. Alle Geschenke paßten so gut für einen neunjährigen Jungen, als ob jemand seine Gedanken gelesen hätte.
Manche Sachen waren witzige Scherzartikel, zum Beispiel der Eiswürfel aus Plastik mit der toten Fliege in der Mitte, manche zielten auf seinen Intellekt, ein programmierbarer Taschenrechner und sämtliche Bände der Geschichten aus Narnia von C. S. Lewis. Eine weitere Schachtel enthielt richtige Männersachen: ein echtes Schweizer Armeemesser, eine Taschenlampe, eine Schraubenziehergarnitur für Erwachsene. Aber das schönste Geschenk lag ganz unten im Paket. Teddy stieß einen Freudenschrei aus, als er das beste, das schickste, das allertollste Sweatshirt erblickte, daß er je gesehen hatte.
Auf dunkelblauem Grund prangte ein Cartoon von einem bärtigen Motorradfahrer, der furchtbar gefährlich aussah. Darunter war Teddys Namenszug in Neonfarbe und der bedrohliche Zusatz »Fahr zur Hölle«. Teddy preßte das Sweatshirt an die Brust. Einen kurzen Augenblick glaubte er, Dallie hätte ihm diese Herrlichkeiten geschickt, aber dann war ihm klar, daß man so was keinem Jungen schickt, den man für einen Schlappschwanz hält. Da er wußte, was Dallie von ihm hielt, konnten die Geschenke nur von Skeet stammen. Was für ein Glück, Skeet Cooper zum Freund zu haben! Der störte sich nicht an seiner Brille, der sah den Jungen, der dahintersteckte.
Theodore Day – fahr zur Hölle! Ja, das klang gut, war genau das richtige für einen Jungen, der schlecht in Sport war und vielleicht bald aus der Hochbegabtenklasse flog.
Zur gleichen Zeit, als Teddy sein neues Sweatshirt bewunderte, zeichnete Francesca ihre Show auf. Als die Kamera ausging, kam Nathan Hurd ihr gratulieren. Der Produzent war physisch unscheinbar mit seinen Hängebacken und dem Ansatz zur Glatze, intellektuell aber ein Dynamo. Er erinnerte Francesca an Clare Padgett, die momentan die Nachrichtenabteilung eines Fernsehsenders in Houston fast in den Selbstmord trieb. Beide waren furchtbare Perfektionisten, und beide wußten genau, was für Francesca richtig war.
»Ja, so gefällt’s mir«, sagte Nathan. Sein Doppelkinn zitterte vor freudiger Erregung. »So lassen wir’s – die Einschaltquoten werden alles Bisherige in den Schatten stellen.«
Sie hatte gerade eine Sendung über elektronische Missionsarbeit beendet, in welcher der Ehrengast, Pastor Johnny T. Platt, beleidigt das Weite gesucht hatte, nachdem sie ihm mehr über einige gescheiterte Ehen und seine vorsintflutlichen Vorstellungen über Frauen entlockt hatte, als ihm recht war.
»Wie gut, daß er erst ein paar Minuten vor Sendeschluß abgehauen ist, sonst hätten wir neu anfangen müssen.«
Nathan ging neben ihr her, und sie verließen gemeinsam das Studio. Sechs Wochen waren vergangen, seit sie aus Wynette
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