Komm und küss mich!: Roman (German Edition)
Sprüche über den Zustand der Vereinigten Staaten losließ oder über Athleten, die sich an Hollywood verschacherten, sowie die »Scheißemanzipation« der Frauen. Er gehörte einer neuen Generation des »guten alten Jungen« an – er sah aus wie ein Filmstar, konnte Witze über sich selbst reißen und war viel intelligenter, als er zugeben wollte. Dallie Beaudine kam dem Ideal der Illustriertenidole sehr nahe, nur in einem Punkt nicht: Er vermasselte die großen Turniere.
Nachdem man ihn zum neuen Goldjungen der Golf-Pros gekürt hatte, war ihm ein schwerer Fehler unterlaufen, der fast nicht wiedergutzumachen war: Er hatte nicht ein einziges wichtiges Turnier gewonnen. Bei einem zweitrangigen Spiel in Apopka, Florida, oder Irving, Texas, konnte er mit achtzehn unter Par gewinnen, doch das Bob Hope oder das Kemper Open schaffte er nicht einmal bis zum Cut. Die Journalisten stellten ihren Lesern immer wieder die eine Frage: Wann
schöpft Dallas Beaudine endlich seine Möglichkeiten als Golf-Pro aus?
In diesem Jahr war Dallie fest entschlossen, das Orange Blossom zu gewinnen und die Pechsträhne zu beenden. Jacksonville war ihm von vornherein sehr sympathisch, die einzige Stadt in Florida, die sich seiner Meinung nach nicht irgendeinem Motto verschrieben hatte. Das Gelände, wo das Orange Blossom Open stattfand, gefiel ihm auch. Obwohl er nur wenig geschlafen hatte, schnitt er in der Qualifizierungsrunde am Montag sehr gut ab, und am Mittwoch ging er wunderbar ausgeruht ins Pro-Am und lief zu seiner Höchstform auf. Der Erfolg hatte sein Selbstvertrauen gestärkt – neben dem Erfolg natürlich auch der Umstand, daß der Goldene Bär aus Columbus, Ohio, eine schwere Erkältung erwischt und seine Teilnahme zurückgezogen hatte.
Charlie Conner, der Sportreporter aus Jacksonville, nahm einen Schluck aus seinem Bierglas und versuchte, sich auf die gleiche lässige Art wie Dallie Beaudine auf seinem Stuhl herumzulümmeln. »Glaubst du, daß die Abwesenheit von Jack Nicklaus sich diese Woche auf das Orange Blossom auswirkt?« fragte er.
Dallies Ansicht nach war das die dümmste Frage der Welt, etwa genauso blöd wie »War es für dich so schön wie für mich?«. Trotzdem tat er so, als müsse er darüber nachdenken. »Tja, Charlie, wenn man bedenkt, daß Jack Nicklaus wohl der größte Golfspieler aller Zeiten werden dürfte, möchte ich mal annehmen, daß wir seine Abwesenheit schon bemerken.«
Der Journalist musterte Dallie skeptisch. »Der größte Spieler? Vergißt du da nicht ein paar Leute, sagen wir mal Ben Hogan und Arnold Palmer?« Bevor er den nächsten Namen sagte, legte er eine ehrfurchtsvolle Pause ein. »Und vergißt du nicht Bobby Jones?«
»Keiner hat jemals so gespielt wie Jack Nicklaus«, sagte Dallie mit Nachdruck, »auch nicht Bobby Jones.«
Skeet hatte sich mit Luella, der Wirtin, unterhalten. Als aber der Name Nicklaus fiel, runzelte er die Stirn. Schnell fragte er den Reporter, ob die »Cowboys« wohl gute Chancen hätten, sich bis zum Super Bowl hochzuspielen. Skeet mochte es nicht, wenn Dallie über Nicklaus sprach. Er hatte sich zur Gewohnheit gemacht, jedes Gespräch zu unterbrechen, das in diese Richtung abzudriften drohte. Skeet behauptete, wenn Dallie sich über Nicklaus ausließe, wäre sein eigenes Spiel im Eimer. Dallie wollte das zwar nicht zugeben, Skeet traf damit aber den Nagel auf den Kopf.
Während des Gesprächs, das sich jetzt zwischen Skeet und dem Journalisten über die »Cowboys« entspann, versuchte Dallie, die Depression abzuschütteln, die sich immer pünktlich zum Herbstanfang bei ihm einstellte. Er versuchte es mit positivem Denken. Die Saison ’74 war fast zu Ende, und er hatte gar nicht mal so schlecht abgeschnitten. Er hatte ein paar tausend Dollar Siegesprämien kassiert, das Doppelte durch verrückte Wetten eingenommen, zum Beispiel, daß er am besten mit links spielte, daß er die mittlere Null in einem Schild mit der Aufschrift »200 m« genau treffen würde; daß er auf einem improvisierten Golfplatz spielen würde, durch einen alten Gully und ein vierzig Fuß starkes Rohr aus Beton. Trevinos Flaschentrick hatte er auch probiert. Er hatte den Ball in die Luft geworfen und mit der Flasche zugeschlagen, aber Glas war wohl auch nicht mehr so dick wie früher, jedenfalls mußte Dallies rechte Hand genäht werden, und er gab auf. Trotz dieser Verletzung hatte er noch genügend Geld verdient, um das Benzin bezahlen und mit Skeet ein angenehmes Leben führen zu
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