Kommissar Joakim Hill - 01 - Die zärtliche Zeugin
…? Jetzt noch?«
Entgegen ihrer Gewohnheit, sich um nichts mehr zu kümmern, was in der Sparkasse nach Geschäftsschluss passierte, ging sie auf die Maschine zu. Ihre nächste Handlung war noch außergewöhnlicher. Als sie das Fax überflogen hatte, hängte sie ihren tadellos gebügelten Popelinmantel auf seinen Haken zurück und machte ihren Computer wieder an.
Nach mehr als fünfunddreißig Jahren witterte Eva Steininger Rache.
Rache dafür, dass sie den hübschen Kent nicht bekommen hatte, da das Biest in der Lichtung ihn ihr gestohlen hatte. Auf eine merkwürdige Art gestohlen hatte. Eva wollte ihr Möglichstes tun, der Polizei dabei zu helfen, Beweise gegen diese ärgerliche Person zu finden. Und wenn sie dafür die ganze Nacht im staubigen Banklokal von Ramseryd verbringen musste!
Offenbar war die verheißene Zeit der Überraschungen für Kriminalkommissar Joakim Hill angebrochen. Freudestrahlend trat Susanna am nächsten Morgen mit einer Nachricht ein, auf die er kaum zu hoffen gewagt hatte. Sie legte das Papier vor ihm auf den Schreibtisch.
Die Bankanalyse, die Elin Starbecks überraschenden Kapitalzuwachs betraf, war erstaunlich detailliert und ausführlich.
Und das, obwohl er eigentlich überhaupt nicht an einen Treffer geglaubt hatte! Definitiv hatte er nicht daran geglaubt, dass sie noch vor dem Wochenende etwas erfahren würden – wenn überhaupt.
Er starrte auf das Fax, und seine Intuition erwachte erneut: das Gefühl, wieder eine Spur zu haben und schnell handeln zu müssen.
Einerseits konnte niemand garantieren, dass ihn ausgerechnet diese Tankstellenbesitzerin in die richtige Richtung führen würde. Aber andererseits erfüllte sie wirklich die Grundanforderungen. Auf sie passten die Kriterien, die er zusammen mit Susanna für die Anfrage der Bankinspektion formuliert hatte, perfekt.
Elin Starbeck entsprach ganz klar in sämtlichen Punkten einer möglichen Kandidatin für einen nächsten Tankstellenmord.
Zweifellos war es einen Versuch wert. Alles, was auch nur halbwegs in Frage kam, musste kontrolliert werden, es konnte schließlich um ein Menschenleben gehen.
Laut der Informantin, die bei einer Sparkasse in Småland arbeitete, hatte Elin Starbeck gerade umfassende Kredite aufgenommen, um ihre Tankstelle auszubauen. Gleichzeitig war ihr Geschäftskonto unerklärlich aufgefüllt worden, was ihr volle Bonität verschaffte.
In einem Monat handelte es sich um eine Erhöhung des Einkommens von achttausend auf eine halbe Million Kronen. Normalerweise fielen solche Auskünfte unter das Bankgeheimnis, schrieb die Informantin wahrheitsgemäß, und eigentlich sei es nur das Finanzamt, das über das Privileg verfüge, den Vorhang zu lüften und die privaten Vermögensverhältnisse zu prüfen. Aber im Lichte der ungewöhnlichen Aufforderung der Bankinspektion hielt die Bankangestellte Eva Steininger es für angebracht, die Aufmerksamkeit der Helsingborger Polizei auf diese Fakten zu lenken.
Sie hatte ebenfalls festgestellt, dass kurze Zeit vor der Zunahme ihres Einkommens eine beachtliche Zunahme der Bestellungen bei der Lotterie stattgefunden hatte.
Hill dachte, dass sich die Ramseryd Sparbank glücklich schätzen konnte, eine so gewissenhafte Mitarbeiterin zu haben. Wenn doch nur die Polizeidirektion in Helsingborg so schnell und entschlussfreudig gewesen wäre!
Der Polizeipräsident schüttelte nur den Kopf, als er verlangte, Elin Starbeck persönlich mit den Zahlen konfrontieren zu dürfen, die ihnen per Fax mitgeteilt worden waren. Harry Runsten, den er telefonisch in einem Luxushotel auf der anderen Seite des Sunds erreichte, hatte größte Bedenken, da es nicht sonderlich gut aussehen würde, falls die betreffende Dame ganz unschuldig sein sollte. Vielleicht gab es für alles eine ganz natürliche Erklärung, beispielsweise konnte jemand erben!
Als Erbe investiere man doch wohl kaum direkt in die Firma, wandte Hill ein.
Aber auf jeden Fall könne er nicht einfach jemanden verdächtigen und kränkende Fragen stellen, meinte der Polizeichef. Bereits das könnte zu großen Problemen führen. Die Zeitungen liebten Geschichten über Übergriffe der Polizei. Es gelte, sich das Ganze gut zu überlegen, ehe man etwas unternehmen würde, und es sei vermutlich klug, alles mit der Führung abzustimmen, sodass sie sich zumindest einig seien, was man anschließend zur Presse sagen würde, falls es überhaupt so weit käme.
Hill müsse also seine Gäule noch im Zaum halten, sagte er etwas im
Weitere Kostenlose Bücher