Kommissar Joakim Hill - 01 - Die zärtliche Zeugin
wollen oder …«
»Oder?«
»Oder ob Sie einfach auf Spaß aus sind.«
Das klang einfach. So normal.
»Ja, wir wollen Spaß.«
Der Taxifahrer blinkte und bog hinter dem Wartehäuschen einer Bushaltestelle ab.
»Okay, dann versuchen wir es mit dem Peach Club. «
Der Peach Club hatte keine absonderlichen Regeln. Dort kam man auch ohne Schlips, Master Card und American Express rein.
Platz war dafür umso weniger.
Die Schlange erinnerte Bernard an die unendlichen Schlangen vor den Lebensmittelgeschäften in Riga. Diese Erinnerung war unangenehm. Er sah, dass Adrian dieselbe Assoziation hatte, Stoján jedoch nicht.
Stoján fand sich trotz des strömenden Regens damit ab, sich gut gelaunt als Nummer Fünfzehn in die Schlange der Hoffnungsvollen einzureihen. Man kam nur rein, wenn jemand den Club verließ.
Endlich wurde ihr geduldiges Warten auf dem nassen Bürgersteig belohnt. Ein ganzer Trupp Tischtennisspieler aus Södertälje hatte es für gut befunden, vor dem entscheidenden Spiel der schwedischen Meisterschaft noch für ein paar Stunden das Hotel aufzusuchen.
Die Drinks waren ganz annehmbar. Gar nicht mal sonderlich verwässert. Die Show war fast künstlerisch, der Strip choreografiert mit Anspielungen auf diverse klassische Inszenierungen von Tschaikowskis »Schwanensee«.
Der einzige Unterschied war, dass der Schwan nicht starb. Der Prinz vernaschte ihn.
Im Großen und Ganzen war es im Peach Club sauber und ordentlich, unerwartet gemütlich.
Jedenfalls bis Stoján eine der Kellnerinnen auffiel.
Sie sah der Schauspielerin, die sie im Fernsehen gesehen hatten und die zerstückelt worden war, überaus ähnlich. Genau wie diese war die Kellnerin sehr üppig, und ihre knappe Uniform unterstrich ihre Reize.
Große feste Brüste, einladende Hüften und einen frechen Kurzhaarschnitt. Ihre Augen funkelten anzüglich, als sie fragte, was noch gewünscht würde. Über die Drinks hinaus, die sie gerade gebracht habe.
»Danke, das ist sehr gut so«, versicherte Bernard.
Aber Stoján war anderer Meinung.
Er schien aus ihrer diensteifrigen Frage mehr herausgehört zu haben als die anderen beiden. Er deutete ihre Worte auf seine Weise und verließ seinen Platz am Tisch, kurz nachdem sie mit neuen Bestellungen Richtung Bar verschwunden war.
Bernard und Adrian waren ganz gebannt von der ornithologisch angehauchten Vorführung auf der Bühne. Sie hatten nicht mal gemerkt, dass Stoján verschwunden war. Unbewusst waren sie vielleicht sogar ganz froh, dass er weg war, wenn auch nur im Augenblick. Erst als ihnen auffiel, dass sein Drink unberührt auf dem Tisch stand, begannen sie sich zu wundern.
Der Schwan hatte sich schon lange zu flügelschlagenden Orgasmen hinreißen lassen, und eine brasilianische Schönheit in Leder mit silberglänzenden Nieten war danach auf die Bühne gekommen. Die neue Darbietung war mehr nach Stojáns perversem Geschmack – wo zum Teufel steckte er also?
Beim Aufstehen schrammte Bernard mit den Stuhlbeinen über den Fußboden, was einen fürchterlichen Lärm verursachte. Einen nervösen Augenblick lang hatten Adrian und er das Gefühl, das Scheinwerferlicht würde direkt auf sie gerichtet und alle anderen Gäste würden mit großen Augen jedem ihrer Schritte folgen.
Aber das war keineswegs der Fall, denn die ledergekleidete Brasilianerin auf der Bühne hatte eine Peitsche hervorgezaubert und zeigte ihrem jungen Partner, wie er sie verwenden sollte. Keiner hatte Augen für etwas anderes.
Auf der Herrentoilette war es, einmal abgesehen von einem tropfenden Hahn, menschenleer und still.
»Wo kann er nur …«
Adrian war Stojáns Verschwinden ebenso unerklärlich wie Bernard.
»Sieh mal nach, ob er draußen irgendwo ist«, meinte Bernard. »Ich schau mal in der Garderobe nach, ob er sich dort heimlich volllaufen lässt.«
Sie waren nicht weit gekommen, als sie das halb erstickte Weinen hörten.
Wo kam das nur her? Aus der Wand?
Besenschränke sind das Unspektakulärste an einem Sexclub, aber auch dort kann man auf sie nicht verzichten. Im Peach Club war der Besenschrank hinter einer Geheimtür in der stuckverzierten Wand verborgen.
Wären die halb erstickten Schreie, das Schluchzen und die dumpfen Schläge nicht gewesen, hätten sie ihn nie im Leben gefunden.
Die Türklinke war Teil der obszönen Stuckatur. Cherubim und Amorinen spielten in einem Meer aus unschuldigen weißen Pfirsichen. Zweige rankten sich zwischen den drallen jungen Wesen hoch.
Bernard fiel besonders einer ins
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