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Kommissar Joakim Hill - 02 - Die Frau im Schatten

Kommissar Joakim Hill - 02 - Die Frau im Schatten

Titel: Kommissar Joakim Hill - 02 - Die Frau im Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bodil Mårtensson
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kein richtiges Behagen einstellen. Stattdessen kam es ihm vor, als würden Wind und Kälte von außen durch die hermetisch isolierten, dreifach verglasten Scheiben hinter seinem Schreibtisch dringen und ihm ihre eisigen Klauen auf die Schultern legen.
    Er hatte sogar den Eindruck, dass die in neutralem Beige gehaltenen Chintzgardinen sich schicksalsträchtig in den Böen, die der aufgewühlte Sund herüberwehte, bauschten – objektiv gesehen war der Luftzug jedoch minimal. Runsten fühlte sich fast wie in einem frühen Hitchcock. Sie bewegten sich tatsächlich, in diesem Fall war allerdings die dezent aufstrebende Wärme des Heizkörpers die Ursache.
    Harry Runsten zog den Pullover über die Hüften, so weit es möglich war, ohne die breiten, goldenen Eichenlaubembleme an den Schultern in Mitleidenschaft zu ziehen. Im kommenden Mai würde er sechzig Jahre alt werden, doch er gab immer noch – seinem Alter und einer gewissen beginnenden Korpulenz zum Trotz – eine große und stattliche Figur ab. Den größten Teil seines kräftigen, rotbraunen Haares besaß er noch, auch wenn jenes in den letzten Jahren einen bedenklich auffälligen Grauton angenommen hatte.
    Normalerweise sprühte er in beneidenswerter Weise vor Energie, die er aus seinem unerschütterlichen Selbstbewusstsein bezog. Er hatte diese positive Ausstrahlung nicht zuletzt seiner über Jahre eigenhändig aufgebauten, glanzvollen Karriere zu verdanken, die ihrerseits natürlich wiederum von seiner Ausstrahlung profitierte. Er gehörte zu denen, die sich kraft ihrer Hände und mit einer gesunden Portion Vernunft im Schädel – wie er sich auszudrücken pflegte – von ganz unten hochgearbeitet hatten.
    Jetzt plagten ihn allerdings seine sonst so kraftvollen Hände und Finger wie so oft bei feuchtkaltem Wetter, und er empfand stechende Schmerzen, die sich zu einem unheilvollen Memento mori auswuchsen.
    Und dennoch erwuchs seine größte Sorge an diesem eisigen Novembermorgen nicht aus seinem Rheumatismus, sondern aus der Tatsache, dass er sich so unglaublich bedrängt fühlte.
    Wie er die Probleme in seinem Kopf auch drehte und wendete, er stand geradewegs mit dem Rücken zur Wand in einer Sackgasse. Ihm blieben nur zwei Möglichkeiten: sich entweder mittels einer unethischen oder einer unkollegialen Geste aus dem Schlamassel herauszuwinden.
    Denn war man einmal Mitglied in dem ehrwürdigen Krognosorden – dieser höchst exklusiven Vereinigung, in die man ausschließlich aufgrund seines Erwerbs sozialer Meriten gewählt wurde –, dann bitte mit Leib und Seele! Wie intensiv er sich auch wünschte, das Telefonat, das er gestern am späten Abend zu Hause entgegengenommen hatte, einfach ignorieren zu können – er durfte es einfach nicht. Es war ausgeschlossen, einem Ordensbruder einen Gefallen abzuschlagen, selbst wenn es, wie in dieser Sache, ein höchst ungewöhnlicher und irregulärer Dienst war, der in seine beruflichen Befugnisse hineinreichte. Einen Ordensbruder zu verleugnen, käme dem Leugnen der eigenen Person vor der gesamten Ordensgesellschaft gleich. Harry Runsten befand sich demnach in einer äußerst unangenehmen Situation.
    Es klopfte leicht an der Tür, und er wurde abrupt aus seinen ausweglosen, wirren Gedanken gerissen.
    »Kommen Sie rein!«, sagte er in scharfem Ton und nahm wieder hinter seinem mächtigen Schreibtisch in lasierter Birke Platz.
    Wenn ihm schon eine Auseinandersetzung bevorstand, konnte er sich ebenso gut hinter dem höchsten seiner administrativen Papierberge verschanzen und unmittelbar das Feuer eröffnen.
    »Guten Morgen«, grüßte Joakim Hill, nichts Böses ahnend, und schloss die Tür hinter sich.
    Er war überrascht gewesen, als der Chef vor einigen Minuten bei ihm angerufen und ihm mitgeteilt hatte, dass er ein paar Worte mit ihm zu wechseln gedachte. An und für sich hatte er nichts dagegen, sich nach oben in die sechste Etage zu begeben und die Aussicht über den Sund zu genießen – wenn auch das Wetter heute nicht gerade einen verlockenden Ausblick bot –, aber dennoch war er leicht verwundert über die Anfrage, besonders zu dieser Uhrzeit.
    Runsten feuerte zur Sicherheit bereits den ersten Schuss ab, als Hill gerade die Türklinke losließ und sich ihm zuwandte.
    »Hill«, begann er mit autoritärer Stimme, ohne dem Kommissar einen Stuhl anzubieten, »was sind das für Sperenzchen, die ich hinsichtlich des Schikanierens von Zeugen in den Mordfällen in Råå und Ramlösa hören muss?«
    Hill sah aus wie ein

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