Kommissar Morry - Das Phantom
Blick über den Rand des Treppenansatzes zum Ausgang der Station hin. Erst jetzt erkannte Heflin, daß Chadlo ihn absichtlich hier oben abgefangen hatte. Er war, als er die Sirenen der Polizeiflitzer gehört hatte, nur so weit die Treppe hinuntergestiegen, daß er noch den gegenüberliegenden Bahnsteig und den dahinterliegenden Ausgang überblicken konnte. So konnte er mm genau die Bewegungen und Absichten der herumschwirrenden Polizeiboys erkennen und gegebenenfalls rechtzeitig den Rückweg antreten. Während Chadlo ihn scharf beobachtete und mehrmals seinen Hals reckte und über den Treppenansatz zum Ausgang hinpeilte, vergingen für Heflin qualvolle Minuten. War es nicht besser für ihn, sich doch der Polizei zu stellen, als sich auf dieses undurchsichtige Abenteuer mit diesem Killer einzulassen?
Er brauchte ja nur den Mund aufzumachen und einen Laut von sich zu geben. Schon in den nächsten Sekunden würde er dann von den Männern der Polizei umringt sein. Alle Hetze hätte dann ein Ende ...
Mat Heflin tat es nicht. Sein Mund blieb ebenso verschlossen wie der des Killers, der immer wieder den anderen Bahnsteig beobachtete.
Ein Grunzen des Killers brachte Mat Heflin in die Wirklichkeit zurück. Auf seinen wulstigen Lippen lag ein triumphales Lächeln. Seine Augen blickten ihn an, und sogleich verschwand der Zug um seinen Mund.
„Komm jetzt!" fauchte er los, indem er seine Waffe in der Tasche verschwinden ließ.
„Und versuche keine dummen Tricks. So blöd, wie sich die Schnüffler angestellt haben, werde ich nicht sein. Mir wirst du nicht entwischen können. Ich hoffe, du hast mich verstanden!"
Zusammen stiegen sie geräuschlos die Treppe hin» auf. Menschenleer lag die Station vor ihnen. Mat Heflin konnte es noch nicht begreifen, daß es keinem der Cops eingefallen war, auch den anderen Bahnsteig zu kontrollieren. War es nun wirklich sein Glück, daß er jetzt neben diesem Killer dem Underground- Tunnel zustrebte, um am jenseitigen Themseufer unbehelligt an die Erdoberfläche zu kommen? — Wenig später wurde ihm diese Frage voll und ganz beantwortet.
Über dreißig Minuten ging Mat Heflin, von Phil Chadlo gefolgt, schon durch den Themsetunnel. Das Ende des Tunnels mußte bald erreicht sein. Er mußte sich bald entscheiden, wollte er den Killer durch seine List abschütteln und seinen weiteren Weg bestimmen. Wie konnte er es anstellen, diesen Mann, der immer dicht an seinen Fersen klebte, zu überwältigen? Da glaubte er den richtigen Gedanken zu haben und setzte ihn auch sofort in die Tat um. Vor ihm war der neben den Schienen herlaufende Fußpfad durch aufgestapelte Ersatzschwellen versperrt. Sie mußten über die erhöhten Schottersteine treten, um hinter dem Stapel wieder auf den Fußpfad zu gelangen. Mat Heflin mußte wiederum vorausgehen. Schritt für Schritt setzte er seine Füße auf die glitschrigen Schwellen. Jetzt mußte die Täuschung gelingen: Sein rechter Fuß trat nur bis zur Hälfte auf das feuchte Holz der Schwelle, rutschte ab.
Mit einem Schmerzensschrei fiel Mat Heflin der Länge nach auf die Schottersteine, rollte sich herum und versuchte, wieder aufzustehen. Es gelang ihm mit knirschenden Zähnen, bis zur Tunnel wand zu humpeln. Hier lehnte er sich mit gekonnt schmerzverzerrtem Gesicht einen Moment an und betastete dann mit den Fingerspitzen den Knöchel seines Fußes. Hinter den Augenlidern hervor betrachtete er das Verhalten Phil Chadlos. Jetzt hatte er ihn nicht mehr im Rücken. Würde er mm auch weiter auf diesen dummen Trick hereinfallen und näher an ihn herankommen? Phil Chadlo kam heran.
„Du Esel, paß auf, wo du hintrittst!" knurrte er näherkommend und zog die Hände aus den Hosentaschen.
„Verdammt!" stöhnte Heflin auf und zog seinen Körper zum Sprung zusammen. Jetzt!' Seine Rechte Hand ballte sich zur Faust — und dann schnellte er hoch. Seine Rechte stach mit der ganzen ihm zur Verfügung stehenden Kraft vor. Es hörte sich an, als zerberste der Kinnknochen des Killers, als Heflins Faust sein Ziel traf. Von der Wucht des Schlages torkelte Phil Chadlo einige Schritte zurück. Seine Augen blickten für Bruchteile von Sekunden überrascht und blöde aus den umschatteten und tiefliegenden Höhlen. Bevor er wieder klar denken konnte, war Mat Heflin erneut heran. Glashart knallte er seine zweite Rechte ab, und diese traf voll das Gesicht des Killers. Mit einem Röcheln brach der Revolvermann in die Knie. Ein feiner Blutfaden zog sich vom Mundwinkel zur Kinnspitze
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