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Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Titel: Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie
Autoren: Karin Fossum
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Mumbai. Seit 1995.«
    »Das werde ich mir merken«, sagte Gunder ernst.
    »Ich wünsche Ihnen einen guten Flug.«
    Er legte auf. Svarstad riß die Bürotür auf und starrte ihn wütend an. Er brauchte einen Mähdrescher und hatte offenbar vor, Gunder nach besten Kräften zu schikanieren. Vor lauter Kaufdrang war er knallrot angelaufen. Er klammerte sich so energisch an den väterlichen Hof, daß seine Fingernägel schon ganz abgenutzt waren, und niemand wagte es, zusammen mit Svarstad in neue Geräte zu investieren. Es war einfach unmöglich, mit ihm zusammenzuarbeiten.
    »Herr Svarstad«, sagte Gunder und sprang auf. Seine Wangen waren vor Aufregung gerötet. »Dann ans Werk.«
     
    In dieser ganzen Zeit war Gunder nicht er selber. Er war zerstreut und hochkonzentriert zugleich. Nachts fand er kaum Ruhe. Er dachte an die lange Reise und an alles, was ihm vielleicht bevorstand. Unter den zwölf Millionen Menschen in Bombay, nein, in Mumbai, wie er sich korrigierte, mußte es doch eine Frau für ihn geben. Sie lebte dort unten und wußte von nichts. Er beschloß, ein kleines Geschenk für sie zu kaufen. Etwas aus Norwegen, was sie noch nie gesehen hatte. Ein silbernes Schmuckstück, vielleicht, für ihren roten Sari. Oder für ihren blauen oder grünen. Auf jeden Fall ein silbernes Schmuckstück. Es sollte nicht groß und protzig sein, sondern klein und praktisch. Um den Schal zusammenzuhalten, wenn sie einen trug. Aber vielleicht zog sie ja Hosen und Pullover vor, er hatte doch keine Ahnung. Er malte sich das alles mit gewaltiger Energie aus und war dabei hellwach. Ob sie einen roten Punkt auf der Stirn trug? In Gedanken tippte er den mit dem Finger an, in Gedanken lächelte sie daraufhin verlegen. Very nice, sagte Gunder in die Dunkelheit hinein. Er würde sein Englisch ein wenig aufpolieren müssen. Thank you very much. See you later. Ein wenig konnte er immerhin.
     
    Svarstad hatte sich fast schon entschlossen. Er wollte einen Dominator von Claas, einen 58 S. Gunder riet zu.
    »Nur das Beste ist gut genug«, lächelte er, bis zum Rand erfüllt von seinem indischen Geheimnis. »Sechszylindriger Perkinsmotor mit hundert PS. Dreistufige mechanische Gangschaltung mit hydraulischem Geschwindigkeitsregler. Ährenheber von drei Meter sechzig.«
    »Und der Preis?« fragte Svarstad düster, obwohl er sehr gut wußte, daß das Wunder fünfhundertsiebzigtausend Kronen kostete. Gunder überkreuzte die Arme vor der Brust. »Sie brauchen auch einen neuen Binder. Schlagen Sie doch einmal richtig zu, und nehmen Sie einen Quadrant. Sie haben doch viel zu wenig Lagerfläche.«
    »Ich brauche runde Ballen«, sagte Svarstad. »Kann nicht mit Heuklötzen arbeiten.«
    »Das ist reine Gewohnheitssache«, widersprach Gunder gelassen. »Wenn Sie die richtigen Geräte haben, können Sie Ihre Aushilfen reduzieren. Diese Polen kosten doch sicher auch Geld? Mit einem neuen Dominator und einem neuen Binder können Sie das alles selbermachen. Und dann erzielen Sie auch einen tadellosen Preis. Das müssen Sie doch zugeben.«
    Svarstad kaute auf einem Strohhalm herum. In seiner wettergegerbten Stirn klaffte eine tiefe Furche, und der Schmerz in seinen tiefliegenden Augen machte langsam einem leuchtenden Traum Platz. Kaum ein anderer Verkäufer hätte den Versuch gewagt, einem Mann, der sich kaum einen Mähdrescher leisten konnte, eine weitere Maschine aufzuschwatzen. Gunder wagte es, und in der Regel glückte der Versuch.
    »Die beste Investition«, sagte er. »Sie sind noch jung. Warum wollen Sie sich mit dem Zweitbesten zufriedengeben? Sie arbeiten sich doch kaputt. Lassen Sie den Quadrant viereckige Ballen binden, die sind leicht zu stapeln und brauchen nicht viel Platz. Bisher hat sich hier in der Gegend noch niemand an Klötze gewagt. Aber bald werden sie bei Ihnen angekrochen kommen, um zuzusehen.«
    Diese Bemerkung traf voll ins Schwarze. Svarstad gefiel die Vorstellung, daß eine kleine Schar von neugierigen Nachbarn auf seinem Hof herumwanderte. Aber er mußte zuerst noch telefonieren. Gunder führte ihn in das leerstehende Büro. Er selber setzte den Vertrag auf, der Verkauf war im Grunde ja unter Dach und Fach. Etwas Besseres hätte ihm gar nicht passieren können. Ein guter Abschluß vor dieser langen Reise. Er würde sich mit gutem Gewissen ins Flugzeug setzen können.
    Svarstad kam wieder zum Vorschein. »Grünes Licht von der Bank«, sagte er kurz. Er war hummerrot, und unter seinen buschigen Augenbrauen funkelte
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