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Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Titel: Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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Mutter gesessen«, sagte Sejer. »Sie ist vor zwei Jahren gestorben. In der letzten Zeit hat sie nur noch stumm vor sich hingestarrt. Hat mich nicht erkannt. Aber ich dachte, auf irgendeine Weise merkt sie doch, daß ich da bin. Wenn sie nicht weiß, daß ich es bin, dann spürt sie doch, daß jemand an ihrem Bett sitzt. Daß sie nicht allein ist.«
    »Wie haben Sie die Zeit herumgebracht?« fragte Gunder.
    »Ich habe vor mich hingeredet«, sagte Sejer lächelnd. »Über alles mögliche. Manchmal habe ich sie direkt angesprochen, manchmal Selbstgespräche geführt. Laut gedacht. Wenn ich ging, hatte ich dann immer das Gefühl, sie wirklich besucht zu haben. Etwas getan zu haben. Wenn man nur stumm dasitzt und gar nichts sagt, ist es schwerer.«
    Er sah Gunder an. »Reden Sie einfach drauflos. Hier hört Sie doch niemand. Erzählen Sie ihr von Poona«, sagte er. »Erzählen Sie ihr alles, was passiert ist.«
    Gunder senkte den Kopf. »Ich weiß nicht, ob ich das über mich bringe.«
    »Das ist eine Möglichkeit, es selber zu begreifen. Vielleicht haben Sie kein Interesse an Krisenpsychiatrie. Aber Sie haben eine Schwester. Erzählen Sie ihr alles.«
    »Aber sie hört doch nichts!«
    »Sind Sie sich da sicher?«
    Sejer klopfte Jomann auf die Schulter. »Ich weiß, daß Sie viel zu durchdenken haben. Wenn Sie Fragen haben, dann rufen Sie an. Auf dieser Karte stehen meine Nummern, im Dienst und zu Hause.«
    »Danke«, sagte Gunder.
    Sejer ging zur Tür.
    »Ich möchte noch etwas sagen«, Gunder räusperte sich verlegen.
    »Ja?«
    »Ich habe ein Bild von Poona. Ich hatte es versteckt, als Sie bei mir waren.«
    »Würden Sie es mir leihen?«
    »Wenn ich es zurückbekomme.«
     

DAS HINWEISTELEFON VERSTUMMTE. 
    Die Zeitungen brachten nur noch kurze Meldungen. Poona machte keine Schlagzeilen mehr. Auf Jomanns Bitten hin wurde sein Name nicht erwähnt. Er sickerte trotzdem durch. Er hatte auch nichts anderes erwartet. Sejer hatte endlich Ruhe, um nachzudenken. Dieses weiße Pulver, was mochte das sein? Die Gedanken wirbelten nur so durch seinen Kopf, als er sich über die Karte von Elvestad und Umgebung beugte. Da waren die Kreuzung bei der Tankstelle, Einars Kro und Gunwalds Laden. Die Straße nach Hvitemoen, die Wiese, das Norevann. Poona, markiert mit einem roten Kreuz, an der Stelle, wo sie gefunden worden war. Der rote Wagen, der am Straßenrand stand. Linda auf dem Fahrrad. Alles war da. Er kam aus dem Ortskern, dachte Sejer, der Wagen stand mit der Front nach Randskog. Nein, nicht unbedingt. Vielleicht kam er aus der anderen Richtung. Entdeckte sie, fuhr an ihr vorbei, drehte. Der Mann war allein im Auto, er handelte aus einem Impuls heraus. Er hatte einen schweren Gegenstand bei sich. Poona wog fünfundvierzig Kilo, der Mann konnte das doppelte Gewicht gehabt haben. Linda, dachte er, was hast du gesehen? Du kennst die meisten Leute in Elvestad. Hast du ihn erkannt? Weißt du etwas, das du nicht zu erzählen wagst?
    Er kritzelte auf einem Block herum. Sie kam aus dem Flugzeug. Durch die Ankunftshalle. Zu Kolding. Zu Einar. Allein auf der Straße.
    Ich habe nicht gesehen , daß sie gegangen ist . Ich habe die Tür schlagen hören .
    Sagte Einar Sunde die Wahrheit? Warum war sie gegangen? Auf die Straße, mit ihrem schweren Koffer. Weil sie verzweifelt war? Wer geht, ist unterwegs zu einer Lösung. Die norwegische Landschaft mit den gelben Feldern mußte vertrauenerweckend auf sie gewirkt haben, sie kam doch aus einer Großstadt mit zwölf Millionen Einwohnern. Mit Straßen, in denen im Gewimmel fast kein Durchkommen ist. Hier draußen war sie allein. Die dunkle Frau wie eine fremde Blume zwischen Weidenröschen und Löwenzahn. Er verließ das Besprechungszimmer und ging ins Büro. Zog den Ordner aus der Schublade. Blätterte und las. Seine eigenen Berichte, die von Skarre, Zeugenaussagen. Das Telefon klingelte. Es war Snorrason.
    »Sag, daß du gute Nachrichten hast«, bat Sejer.
    »Das weiße Pulver. Das ist Magnesium.«
    »Ich habe keine Ahnung von Chemie. Wozu benutzt man das?«
    »Wir können nicht mit Sicherheit sagen, welche Funktion gerade dieses Pulver hatte. Vermutlich läßt es sich vielseitig anwenden. Aber ich habe mir meine Gedanken gemacht. Ansonsten müssen wir uns umhören. Magnesium wird auch in der Medizin benutzt, da aber in einer anderen Zusammensetzung.«
    »Melde dich, wenn du etwas herausfindest. Und kein Wort an die Presse.«
    »Alles klar«, sagte Snorrason.
    Er legte den Hörer auf die Gabel

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