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Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Titel: Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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verlockt, einige Sätze zu unterstreichen. Eine Person auf einem Fahrrad behauptet, am Tatort zwei Menschen gesehen zu haben, bei denen es sich um Opfer und Mörder gehandelt haben kann. Oder: Neue wichtige Zeugin im Elvestad-Mord. Aber so kindisch war sie nicht. Sie ging ins Wohnzimmer und setzte sich mit Jacobs Karte in der Hand vor das Telefon. Sie fuhr sich damit über die Wange, roch daran und machte einen Schmollmund. Kokett küßte sie dreimal seinen Namen. Es spielte keine Rolle, was sie machte, solange niemand sie sah. Im Grunde war das ein recht verlockender Gedanke. Dann wählte sie die Nummer. Als er sich meldete, zitterte sie und mußte sich große Mühe geben, um ruhig und bedächtig zu wirken, was sie noch nie gewesen war. Sie versuchte, es kurz zu machen, hatte beschlossen, nur dieses eine zu sagen, daß es ein Golf gewesen sein konnte. Aber Jacob war damit nicht zufrieden. Darauf war sie nicht vorbereitet und verlor die Kontrolle über den Gesprächsverlauf. Konnte nicht ausweichen, konnte nicht auflegen, denn dann würde Jacob verschwinden.
    »Kennen Sie jemanden, der einen roten Golf fährt?« fragte er.
    Sie war sofort in der Offensive und sehr schnell.
    »Nein.«
    »Haben Sie so einen in Elvestad gesehen?«
    »Kann schon sein«, sagte sie jetzt. »Aber ich kenne den Besitzer nicht gut.«
    »Aber Sie kennen in Elvestad eine Person, die einen roten Golf fährt?«
    Linda biß sich auf die Lippe. »Er hat nichts mit dem Mord zu tun«, sagte sie. »Sein Auto sieht nur einfach so ähnlich aus.«
    »Das ist klar«, sagte Skarre ruhig. »Mir geht es doch nur darum, herauszufinden wie Sie zu dieser Erkenntnis gekommen sind. Daß es vielleicht ein Golf war. Deshalb frage ich. Wenn Sie den Namen wissen, dann würde ich den gern erfahren.« Linda starrte durch das Fenster Garten und Bäume an. Sie standen wie kampfbereite Soldaten da, mit ihren spitzen Wipfeln. Ihr Herz hämmerte. Wollte er denn nicht kommen? Würde sie ihn nicht wiedersehen? Furcht überkam sie. Das Gefühl, etwas ausgelöst zu haben. Sie zitterte bei der bloßen Vorstellung. Aber der Name? Und was war mit seinen Wunden? Die sahen aus wie lange, wütende Kratzer.
    »Sind Sie noch da, Linda?« rief Jacob aus dem Telefon. Sofort war sie besänftigt. Jetzt flehte er sie an.
    »Gøran«, sagte sie. »Gøran Seter. Und irgendwer hat ihm das Gesicht zerkratzt.«
    In diesem Moment fuhr etwas Weißes, Wildes über den Himmel, mehrere Male, wie Blitze. Kein Donner war zu hören, nur ein leises Rauschen. Wetterleuchten, dachte sie atemlos. Nur Wetterleuchten. Es ist doch Herbst.
     
    Als Skarre das zitternde Mädchen sah, dachte er sofort an eine Scheibe Roastbeef, hauchdünn und frisch, zum Verschlingen. Er bat Gott, ihm diesen gierigen Gedanken zu vergeben, und lächelte so freundlich er konnte.
    Linda paßte es nicht, daß alles, was sie sagte, aufgeschrieben wurde, und daß sie dann alles noch einmal lesen und unterschreiben sollte.
    »Gørans Namen können wir doch weglassen?« fragte sie ängstlich.
    »Natürlich«, sagte er. »Und ein kleiner Rat. Behalten Sie das alles für sich. Dann bekommen Sie nachher keine Probleme. Mit dem Klatsch ist nicht zu spaßen und mit der Presse auch nicht. Ist die eigentlich schon hier gewesen?«
    »Nein«, sagte sie. Und wie sie den Presseleuten widerstehen sollte, wenn die hier auftauchten, mit Kameras und allem, das wußte sie nicht. Sie hatte die Sache mit dem Golf keiner Menschenseele erzählt, und ihr Blick war jetzt ganz ruhig und sicher, weil das eben so war. Sie fragte sich verzweifelt, wie sie noch weiteren Eindruck auf Jacob machen könnte. Er faltete seine Unterlagen zusammen und erhob sich. Sie machte noch einen letzten verzweifelten Versuch.
    »Wenn Sie den Mörder finden, muß ich dann vor Gericht als Zeugin aussagen?«
    Er musterte sie lächelnd. »Das kann ich mir wirklich nicht vorstellen, Linda. Ihre Beobachtungen sind nicht sicher genug.«
    Sie war unbeschreiblich enttäuscht. Und dann war er wieder verschwunden, und sie stand da und schlug die Hand vor den Mund. Ihre Lippen kamen ihr groß vor. Sie holte sich das Telefonbuch. Schlug unter S nach und fand Skarre, Jacob, Nedre Storgate 45, und seine Telefonnummer, die sie zweimal laut sagte. Danach war sie in ihrer Erinnerung wie eingebrannt. Sie nahm die Mappe mit den Zeitungsausschnitten und verließ das Zimmer. Stand eine Weile vor dem Spiegel. Danach las sie alles noch einmal. Sie mußte diesen Fall warm halten. Mußte ihn anhauchen, wie

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