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Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Titel: Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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Lillian hatte immer Lust. Er brauchte mit Lillian nicht Händchen zu halten oder sie ins Restaurant einzuladen. Ulla mußte umsorgt werden, er mußte sie umwerben, damit er bekam, was er brauchte. Damit dieses brennende Bedürfnis erfüllt wurde, das Männer hatten, und das der wirkliche Grund war, warum sie sich überhaupt mit Frauen einließen.
    »Eine Freundin bedeutet doch mehr als nur Geschlechtsverkehr, oder?«
    Gøran blickte ihn leicht resigniert an. »Verliebtheit geht doch vorüber«, sagte er müde. »Ziemlich schnell sogar.«
    »Was ist mit Liebe?« fragte Friis.
    Gøran lächelte ungläubig.
    »Gøran«, sagte Friis streng. »In der Jury sitzen erwachsene Menschen, die davon ausgehen, daß du und Ulla ein Paar wart. Mit allem, was dazugehört. Daß du nie Liebe erlebt hast, bedeutet nicht, daß es keine gibt.«
    Gøran starrte mutlos den Tisch an.
    »Die Jury muß hören, daß du Ulla geliebt hast. Und daß Lillian nur ein Seitensprung war, den du ungeschehen machen würdest, wenn du nur könntest. Aber trotzdem warst du am Abend des 20. bei ihr. Das hast du der Polizei gesagt, und daran mußt du festhalten.«
    »Natürlich«, sagte Gøran. »Und es stimmt doch auch.«
    »Ulla hat nach dem Training Schluß gemacht. Vor dem Adonis. Und du bist gleich zu Lillian gefahren. War das so?«
    »Ja«, sagte Gøran. »Ich habe zuerst angerufen.«
    »Warst du böse auf Ulla?«
    »Ich war nur genervt. Sie hat immer wieder Schluß gemacht. Ich wußte nicht, was ich glauben sollte. Verdammt, Mädchen, die sagen das eine und …«
    »Ruhig, Gøran, ruhig.«
    Gøran sank in sich zusammen. »Ich habe diese Frau auf Hvitemoen nicht umgebracht. Ich bin total wirr im Kopf, alles geht durcheinander, wenn sie mich nach Uhrzeiten und Datum fragen, aber eins weiß ich ganz sicher. Ich habe diese Frau nicht umgebracht! Ich habe keine Menschenseele gesehen«, sagte er.
    Plötzlich wurde ihm schwindlig. Das war für ihn ein seltenes und ungewohntes Gefühl.
    »Konrad Sejer wird das Verhör leiten«, sagte Friis. »Und er wird dich bald holen. Du wirst ziemlich lange mit ihm zusammensitzen. Während der ersten zwei Tage wird er vermutlich versuchen, dein Vertrauen zu gewinnen.«
    »Während der ersten zwei Tage?«
    »Du darfst das Atmen nicht vergessen. Du brauchst nichts zu erreichen, Gøran, du kannst deine Karten mit Würde und Ruhe ausspielen. Wenn du die Fassung verlierst, dann wird er dich sofort angreifen. Er sieht freundlich und ausgeglichen aus, aber er hat es auf dich abgesehen. Er glaubt, daß du diese Frau umgebracht hast. Daß du aus purer Wut ihren Kopf zerschlagen hast, weil etwas anderes in deinem Leben, etwas, mit dem sie nichts zu tun hatte, restlos aus den Fugen geraten war. Du wirst nicht gern abgewiesen, oder?«
    »Verdammt, du ja wohl auch nicht«, brauste Gøran auf.
    Dann schloß er die Augen. »Ich habe ein Vermögen für Ulla ausgegeben. Bin gegangen, wohin sie wollte, habe Geschenke für sie gekauft. Überall bezahlt, im Kino und im Café, obwohl sie auch selber Geld verdient. Und dann will sie einfach nicht mehr.«
    »Wir schicken unseren Verflossenen aber keine Rechnungen, oder?«
    »Wenn das möglich wäre, würde ich es tun«, sagte Gøran wütend.
    »Hast du sie geliebt?«
    Gøran zählte bis drei.
    »Man gewöhnt sich doch an Leute. Nach all der Zeit.«
    Friis schaute zum Fenster hinüber, als könnte ihm draußen etwas helfen.
    »Ja. Man gewöhnt sich. Du hattest dich daran gewöhnt, daß sie für dich da war. Und als sie Schluß gemacht hat, kamst du dir im Stich gelassen vor. Oder nicht?«
    »Ich hatte doch Lillian.«
    »Hättest du gern zugeschlagen?«
    »Ich habe Ulla nie geschlagen«, rief Gøran. »Kein einziges Mal. Hat sie das behauptet?«
    »Nein. Die Polizei wird behaupten, du hättest eine andere geschlagen, um ein Ventil für deine Aggression zu haben. Daß du auf Poona gestoßen bist und sie umgebracht hast. Sie war ein leichtes Opfer. Allein in einem fremden Land. Klein und schmächtig.« Friis zog Block und Bleistift hervor. »Gehen wir den 20. noch einmal durch, vom Morgen, als du aufgestanden bist, bis zum Abend, als du dich ins Bett gelegt hast. Jede Stunde dieses Tages. Ich muß das alles genau wissen. Du darfst nichts auslassen. Laß dir Zeit.«
    »Ich dachte, das macht die Polizei?«
    »Das wird sie auch machen. Und ich möchte hinzufügen: Beide Geschichten müssen genau übereinstimmen. Verstehst du?«
    »Ich war bei Lillian«, flüsterte Gøran.
     

BIN ICH DARAN

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