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Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Titel: Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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alles so erzählt, wie es war«, sagte Gøran.
    »Gut«, sagte Friis. Dann wurde die Cola gebracht. Sie war kalt und prickelte auf der Zunge.
    »Ansonsten muß ich dich fragen, ob dir der Ernst deiner Lage bewußt ist. Du wirst des Mordes verdächtigt. Unter besonders strafverschärfenden Umständen.«
    »Ja«, sagte Gøran. Er zögerte kurz. Da ihm das hier noch nie passiert war, tappte er so ziemlich im Dunkeln.
    »Strafverschärfende Umstände bedeutet, daß allein wegen Mißhandlung des Leichnams noch bis zu zwei Jahre dazukommen können. Und in solchen Fällen wird die Polizei besonders aggressiv. Sie werden Untersuchungshaft für dich beantragen, und während du in der Zelle sitzt, werden sie Material für eine Anklage sammeln. Und inzwischen stehst du hier unter Post- und Besuchsverbot.«
    »Muß ich hier bleiben«, stammelte Gøran. Er hatte gedacht, daß die Polizei mit ihm reden würde, vielleicht viele Stunden lang, aber er hatte doch gehofft, abends wieder auf freiem Fuß zu sein. In Einars Kro würde Hochbetrieb herrschen. Er mußte hin, mit den anderen Zusammensein. Hören, was sie sagten. Panik überkam ihn. Nervös nippte er an seiner Cola.
    »Sie werden versuchen, dich müde zu machen«, sagte Friis. »Das darfst du nicht vergessen. Ehe du irgendeine Frage beantwortest, mußt du in Gedanken immer bis drei zählen.«
    Gøran blickte ihn verständnislos an.
    »Sie wollen dich aus der Fassung bringen. Und das darf nicht passieren. Nicht einmal dann, wenn du erschöpft und müde und kaputt bist. Verlierst du leicht die Kontrolle?«
    »Ich kann ziemlich viel vertragen«, sagte Gøran demonstrativ und beugte sich über den Tisch vor. Friis sah seine kräftigen Arme. Und prägte sie sich ein.
    »Ich rede nicht von Muskeln«, sagte er. »Sondern von dem hier oben.«
    Er zeigte auf seinen Kopf. »Dieser Mann, der dich verhören wird, darf dich nicht schlagen. Das wird er auch nicht tun, ich kenne ihn. Aber er wird alles versuchen, was nicht verboten ist, um dir ein Geständnis abzupressen. Nur das ist wichtig für ihn. Dein Geständnis. Ob du schuldig bist oder nicht, spielt dabei keine Rolle.«
    Gøran sah Friis entsetzt an.
    »Ich habe nichts zu befürchten«, sagte er, aber gegen Ende dieses Satzes kippte seine Stimme um, und er umklammerte das Colaglas so fest, daß es fast zerbrach. »Ich habe doch ein Alibi«, fügte er hinzu. »Sie ist außerdem glaubwürdig. Wenn sie nur nicht kneift. Deshalb begreife ich nicht, wieso ich überhaupt hier bin.«
    »Redest du von Lillian Sunde?« fragte Friis düster.
    »Ja«, sagte Gøran, überrascht davon, daß die anderen alle soviel wußten, und das nach so kurzer Zeit.
    »Sie streitet ab, daß du bei ihr warst«, sagte Friis. Gøran riß die Augen auf. Sein Gesicht wurde kreidebleich. Er sprang auf und schlug mit den Fäusten auf den Tisch.
    »Zum Teufel«, schrie er. »Diese alte Kuh! Hol sie, dann hörst du ja, was wirklich los war! Ich kenne die Frau seit über einem Jahr, und da kommt sie her und …«
    Friis erhob sich und drückte Gøran auf den Stuhl. Es wurde totenstill.
    »Du hast zu zählen vergessen«, sagte er leise. »Ein einziger solcher Ausbruch vor Gericht, und du giltst als der geborene Mörder. Verstehst du, wie ernst die Lage ist?« Gøran keuchte. Er hielt sich mit beiden Händen an der Tischkante fest. »Ich war bei Lillian«, flüsterte er. »Wenn sie etwas anderes sagt, dann lügt sie! Du hast ja keine Ahnung, was ich über sie weiß. Was sie mag und was sie nicht mag. Wie sie es will. Wie sie aussieht. Am ganzen Leib. Das weiß ich!«
    »Sie hat viel zu verlieren«, sagte Friis leise. »Ihre Ehre, zum Beispiel.«
    »Die hat sie nie gehabt«, erwiderte Gøran wütend. Eine plötzliche, verräterische Träne kullerte über seine Wange.
    »Manche werden nur schwer begreifen können, daß du mit Ulla Mørk zusammenwarst. Und daß du gleichzeitig Lillian ein ganzes Jahr lang bei ihr zu Hause besucht hast.«
    »Das ist doch kein Verbrechen«, sagte Gøran.
    »Das nicht. Aber die Leute müssen begreifen, wer du bist und wie du denkst und dich verhältst. Auf jeden Fall mußt du das erklären können, wenn sie danach fragen, und das werden sie sicher tun. Also kannst du auch gleich bei mir damit anfangen.«
    Gøran musterte Friis verwundert. Die Sache lag doch auf der Hand. Zwei Frauen sind besser als eine, außerdem waren sie so verschieden. Ulla machte sich gut neben ihm, wollte aber immer ihren Kopf durchsetzen. Immer paßte ihr etwas nicht.

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