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Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Titel: Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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ja trotzdem nicht. Ich kann nicht an die Zukunft denken, und das macht mir schrecklich zu schaffen. Poona hätte sich jetzt mit Elvestad vertraut gemacht, mit Haus und Garten. Sie könnte mit Waschmaschine und Mikrowelle und Video umgehen. Wir könnten zusammen auf dem Sofa sitzen und uns indische Filme ansehen. In Indien werden viele Filme gedreht. Romantische Filme mit kühnen Helden und schönen Frauen. Keine Alltagsfilme, wie wir sie machen, über ganz normale Menschen. Sie träumen viel, die Inder. Das müssen sie. Sie sind so arm.
    Weißt du was? Ich habe mehrere Briefe erhalten. Von fremden Frauen. Von Russinnen und Filipinas, die sich anbieten. Sagen, ich tue ihnen leid. Was sagst du dazu? Und Poona ist noch nicht einmal unter der Erde. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll.
    Jetzt sitzt dieser Gøran beim Verhör. Er streitet alles ab. Was denn auch sonst? Ob er es nun war oder nicht, zugeben wird er das doch nie im Leben. Es ist schwer zu verstehen, daß ein junger Mann, dessen beste Jahre noch vor ihm liegen, so etwas tun könnte. Er ist für vier Wochen in Untersuchungshaft genommen worden, das stand in der Zeitung. Ich denke viel an seine Eltern. Das sind normale, hart arbeitende Menschen. Haben alles für ihn getan, glaube ich. Haben sich Sorgen und Hoffnungen gemacht. Und jetzt sollen Beweise zusammengetragen werden. Die allen Zweifel daran ausräumen, daß Gøran wirklich schuldig ist. Manchmal denke ich daran, wie Poona zumute gewesen sein muß. Als sie am Flughafen gewartet hat. Als sie allein mit einem fremden Mann losgefahren ist, in den Tod. Was ist übrigens mit dem Taxifahrer? Wenn der das nun war? Und das alles, weil du einen Unfall gebaut hast. Ich mache dir keine Vorwürfe, Marie, aber eine gute Fahrerin warst du noch nie. Vielleicht hättest du überhaupt niemals fahren dürfen.
    Plötzlich muß ich an den Winter 59 denken, als wir soviel Schnee hatten. Du hast hinter dem Haus mit Kristine gespielt. Ich habe euch durchs Fenster gesehen. Ich hatte Masern und durfte nicht nach draußen. Ihr wart total wild, habt geschrien und gelacht, ich konnte euch bis ins Wohnzimmer hören. Es war mildes Wetter, und ihr habt schreckliche Dinge in dem klebrigen Schnee angestellt. Weißt du das noch? Ich wage gar nicht, das laut zu sagen, obwohl du nichts hören kannst. Ich habe Mutter nichts verraten. Sie hätte den Verstand verloren. Wir Menschen tun so viele seltsame Dinge, Marie. Ich muß immer wieder an Poonas Bruder denken. Er hat mir ein schönes Bild von ihr geschickt. Es ist größer als das kleine, das ich gemacht habe, und ich habe einen schönen Rahmen gekauft. Ich habe versprochen, Shiraz Bescheid zu sagen, wenn das Datum für die Beerdigung feststeht. Aber er wird bestimmt nicht kommen. Vielleicht findet er es sündhaft, daß ich sie in christlicher Erde bestatte. Christliche Erde, was ist das eigentlich? Erde ist doch Erde. Ich habe mit Pastor Berg gesprochen. Ich kann schon sagen, da habe ich ihm Stoff zum Nachdenken serviert. Ist ihr Bruder wirklich einverstanden, hat er immer wieder gefragt. Wissen Sie das genau? Wir dürfen schließlich keinen Ärger riskieren. Und Hindu auch noch. Ich kann das in der Kirche nicht erwähnen, Jomann, das sehen Sie hoffentlich ein. Pastor Berg ist nett, aber er hat Angst, einen Fehler zu machen. Aber ich darf zu Beginn der Trauerfeier indische Musik laufen lassen. Sicher kann ich in der Stadt welche auftreiben. Mode hat in der Tankstelle auch ein paar CDs, aber so was ist bestimmt nicht dabei. Ich hoffe ja wirklich, daß Karsten kommen wird, aber sicher bin ich mir da nicht. Weißt du was? Irgendwie finde ich es seltsam, daß du noch immer am Leben bist. Wo dein Körper doch keine Nahrung zu sich nehmen will. Ich glaube nicht, daß du jemals wieder Auto fahren solltest. Du kannst mich immer anrufen, wenn du irgendwohin willst, ich fahre dich gern. Karsten hat ja immer soviel zu tun. Aber darüber sprechen wir später. Wenn du wieder aufgewacht bist.«
     

MODE FISCHTE EINE KRONE AUS DER SCHALE 
    und steckte sie in die Wurlitzer. Die Musik hier ist wirklich so alt wie Einar, dachte er. In der Kneipe war Hochbetrieb. Einar polierte Gläser. Er war derzeit nicht gerade redselig, der Klatsch behauptete, Lillian packe ihre Sachen. Böse Zungen fanden es seltsam, daß sie sich gerade jetzt trennten, nach dem Mord auf Hvitemoen und der Verhaftung von Gøran Seter. Das alles regte die Phantasie gewaltig an. Nudel, Karen und Frank saßen ins Gespräch vertieft

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