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Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Titel: Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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in einer Ecke. Sie bestellten mehr Bier und schauten zu Modes Tankstelle hinüber, wo Torill hinter dem Tresen stand. Mode setzte sich. Er war ein ruhiger Mann mit einem stillen Gesicht. Seine Haare waren schütter und hell und straff aus der Stirn zurückgekämmt. Er sah älter aus als achtundzwanzig Jahre.
    »Sicher können wir hier sitzen und Gøran für unschuldig halten«, sagte Frank, »aber Tatsache ist doch, wenn sie einen anderen hopsgenommen hätten, dann würden andere Menschen an einem anderen Tisch sitzen und genau dasselbe sagen. Das geht mir im Moment durch den Kopf.«
    Die anderen starrten in ihre Gläser.
    »Etwas anderes«, sagte Nudel besorgt. »Denkt doch an alles, was die Bullen wissen und nicht erzählen. Wenn sie erst mal jemanden festnehmen, dann müssen sie doch ganz schön viel wissen.«
    »Ja, verdammt«, sagte Frank und schüttelte den Kopf. »Hat Gøran etwa jemals jemanden geschlagen?«
    »Einmal passiert alles zum ersten Mal«, sagte Mode und nahm sich eine Zigarette.
    »Ob wir ihn wohl besuchen dürfen?«
    Einar am Tresen räusperte sich. »Er hat Post- und Besuchsverbot. Die lassen uns garantiert nicht durch. Seine Eltern vielleicht. Aber sonst niemanden.«
    »Stellt euch vor, allein in einer Zelle zu sitzen, ohne Radio, Zeitungen oder Fernseher. Nicht kontrollieren zu können, was sie über ihn schreiben.«
    »Weiß irgendwer was über diesen Verteidiger?«
    Diese Frage kam von Nudel.
    »Dünnes graues Hemd«, sagte Mode. »Sieht nicht gerade stark aus.«
    »Aber vor Gericht braucht er ja auch nicht gerade Muskeln«, sagte Frank. Er wiegte sein schweres Haupt hin und her. »In der Zeitung ist von technischen Funden die Rede. Ich wüßte gern, was sie darunter verstehen.«
    »Haare und so«, sagte Nudel. »Sieht böse aus für Gøran, wenn er Haare hinterlassen hat.«
    »Du hörst dich so an, als ob Gøran es getan hätte«, sagte Frank empört.
    »Ja, zum Henker«, sagte Nudel. »Er sitzt doch. Und sie bereiten die Anklage vor. Irgendwas muß doch gegen den Kerl vorliegen.«
    »Aber ich kapier das nicht«, sagte Frank, offenbar verstört von der bloßen Vorstellung, daß er sich in einem Menschen so geirrt haben könnte.
    »Sie setzen sicher einen Psychiater auf ihn an, um festzustellen, ob er zurechnungsfähig ist.«
    »Das ist er, das wissen wir doch.«
    Frank trank mehrere Schluck Bier und rülpste. »Der, der dieser Frau den Schädel eingeschlagen hat, kann ja wohl kaum zurechnungsfähig sein«, sagte er trocken.
    »Kann er wohl«, meinte Einar. »Nur in dem Moment war er gestört.«
    Dann schwiegen alle eine Weile. Einars Bemerkung mußte sich erst setzen. Alle hatten ein Bild von Gøran vor ihrem geistigen Auge. Sie sahen ihn an einem Tisch sitzen, wo er aus einem Plastikbecher trank. Sie stellten sich sein Gesicht verwirrt und verlassen vor, mit Schweißperlen auf der Stirn. Er saß mit gesenktem Kopf im Sessel, oder vielleicht auf einem harten Stuhl. Er saß schon lange dort und rutschte jetzt hin und her. Sein Rücken tat weh. Immer wieder schaute er auf die Uhr. Ein gemeiner Verhörleiter saß ihm gegenüber. Der entschied, wie lange jedes Verhör dauerte. Das Bild war nicht gerade deutlich und stimmte überhaupt nicht. Denn Gøran biß in diesem Moment in eine glühendheiße Pizza mit Pepperoni. Der Käse zog dünne Fäden, die er mit den Fingern zusammenhielt.
    »Sie waren an Ulla gewöhnt«, sagte Sejer leise. »Und als sie Schluß gemacht hat, haben Sie das nicht wirklich ernst genommen?«
    »Nein«, sagte Gøran und kaute gierig. Die Pizza schmeckte gut, er hatte um zusätzliche Gewürze gebeten.
    »Und deshalb hat Sie das auch nicht weiter provoziert?«
    Gøran schluckte und spülte mit Cola nach. Fuhr sich durch die struppigen Haare. »Nein«, sagte er.
    »Ulla sagt, Sie seien böse gewesen. Aber das ist schon seltsam bei uns Menschen. Wir erleben Dinge ganz unterschiedlich. Sie waren vielleicht eher traurig?«
    »Traurig?« fragte Gøran verständnislos.
    »Erzählen Sie, was Sie traurig macht«, sagte Sejer.
    Gøran mußte nachdenken. Er biß wieder in die Pizza.
    »Fällt Ihnen nichts ein?«
    »Ich bin nie traurig.«
    »Aber was sind Sie, wenn Sie nicht fröhlich sind? Sie sind oft guter Laune, aber doch sicher nicht immer?«
    »Natürlich nicht.«
    »Also?«
    Gøran wischte sich den Mund.
    »Wenn ich nicht fröhlich bin, dann bin ich wütend, das ist doch klar.«
    »Ah. Ich verstehe. Aber Sie waren doch bestimmt nicht fröhlich, als Ulla Schluß gemacht

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