Kopernikus 2
heimkamen. Ihr Schiff war ihr Zuhause. Es kam selten vor, daß sie eine fremde Welt zweimal aufsuchte. Wenn sie es irgendwie vermeiden konnte, suchte sie sich lieber etwas Neues.“
„Ganz schön abenteuerlustig“, staunte Melantha.
„Nein“, entgegnete Royd. „Sozialfeindlich eingestellt. Sie machte sich absolut nichts aus anderen Menschen. Ihr großer Traum war es, völlig unabhängig selbst von der kleinsten Besatzung zu sein. Als sie irgendwann einmal genug Geld zusammengekratzt hatte, setzte sie ihren Traum in die Wir k lichkeit um. Das Resultat sehen Sie hier: die Nachtfee. Nachdem sie das Schiff von der Werft in Newholme übe r nommen hatte, brach sie jedweden Kontakt mit menschl i chen Lebewesen ab. Sie hat auch niemals wieder den Fuß auf einen Planeten gesetzt. Ihre ganzen Geschäfte hat sie von den Räumen aus abgewickelt, die mich jetzt beherbe r gen. Sie war wohl verrückt, aber schließlich hat sie bis zu ihrem Ende ein aufregendes Leben geführt. Überlegen Sie doch mal. Karoly, was sie für Welten gesehen hat. Was sie Ihnen hätte erzählen können! Sie würden es nicht aushalten. Die meisten ihrer Aufzeichnungen hat sie allerdings zerstört – sie hatte wohl Angst, daß sie fremden Menschen nach ihrem Tode in die Hände fallen könnten, die daraus Profit schlagen würden. So war sie eben.“
„Und Sie – wie sind Sie?“ fragte die Xenotechnikerin.
„Ich sollte sie eigentlich nicht Mutter nennen“, fuhr Royd fort. „Ich entstand durch künstliche Befruchtung. Nachdem sie dreißig Jahre lang die Galaxis durchkreuzt hatte, hatte sie ihre permanente Einsamkeit wohl irgendwie satt. Ich sollte ihr Gefährte und Liebesobjekt werden. Sie selbst hätte natü r lich keinerlei Geduld mit einem Kind gehabt, außerdem ha t te sie wohl auch gar keine Lust dazu. So wurde ich also als Embryo in einen Nährtank gesetzt. Der Bordcomputer wu r de mein Lehrmeister. Nachdem ich die Pubertät erreicht ha t te, wollte sie mich freisetzen – offenbar wäre ich ab diesem Zeitpunkt für ihre Bedürfnisse verwertbar gewesen. Wenige Monate nach meiner künstlichen Befruchtung starb sie alle r dings. Das Schiff war jedoch für einen solchen Fall vorpr o grammiert. Es trat in den Normalraum ein und schaltete den Antrieb völlig ab. Elf Jahre lang trieb es im interstellaren Raum umher, und unterdessen erzog mich der Computer. Als ich aus dem Tank entlassen wurde, konnte ich dennoch nicht sofort das Erbe meiner Mutter antreten, es kostete mich noch einige Jahre, bis ich genug Informationen über die Funktionsweise des Schiffes, aber auch über meine He r kunft herausgefunden hatte.“
„Faszinierend“, staunte d’Branin.
„In der Tat“, stimmte ihm die Linguistin zu, „aber das e r klärt noch längst nicht, warum Sie Ihre Räume nie verla s sen.“
Melantha Jhirl kicherte. „Aber natürlich erklärt es das. Los, Kapitän, erzählen Sie’s den weniger Schlauen.“
„Mutter haßte Planeten“, hob Royd erneut an. „Sie haßte Gestank, Schmutz und Bakterien, die Launen des Wetters, den Anblick anderer Leute. Sie arrangierte eine makellose Umgebung für sie und für mich, so steril es nur irgend ging. Da ihr auch die Schwerkraft zuwider war und sie sich in e i nem Zustand fortwährender Schwerelosigkeit bewegte, wu r de auch ich unter diesen Bedingungen groß. So hat mein Körper keinerlei natürliche Widerstandskräfte entwickeln können. Vermutlich würde mich bereits die kleinste Berü h rung mit einem von Ihnen töten, auf alle Fälle jedoch für lange Zeit auf das Krankenlager werfen. Meine Muskeln sind schwach, völlig unentwickelt. Die Schwerkraft, die zur Zeit im Schiffe herrscht, um Ihnen den Aufenthalt an Bord angenehm zu gestalten, ist die Hölle für mich. Ich sitze im Moment in einem schwebenden Sessel, der mein Gewicht auff ä ngt, aber ich habe dennoch große Schmerzen. Meine inneren Organe werden langfristig sicherlich in Mitleide n schaft gezogen. Aus diesem Grund nehme ich nicht oft Pa s sagiere auf.“
„Sie halten wohl auch nichts von Ihren Mitmenschen?“ fragte die Psi-Expertin.
„Im Gegenteil. Ich schätze sie sehr. Ich muß wohl mit meinem Körper und seinen Gegebenheiten auskommen, aber glauben Sie ja nicht, daß ich mir ihn ausgesucht habe oder froh über meinen Zustand bin. Mit anderen Menschen kann ich aber nur ab und zu in Kontakt treten und auch dann nicht unmittelbar. Es geht nur auf die Weise, die ich auch ihnen gegenüber anwende. Aber Sie können mir glauben, daß
Weitere Kostenlose Bücher