Kopernikus 2
einem leicht verschnupften Unterton in seiner Stimme, „meine Volcryn sind weitaus realer als irgendwelche Gespenster.“
„Auch ich glaube nicht an so etwas.“ Melantha Jhirl ru n zelte die Stirn.
„Sie können diesem Phänomen beliebige Namen geben“, antwortete Royd ernst. „Ich nenne es ‚Geist’, und dieser ‚Geist’ oder was auch immer gehört zu unserer Realität. J e denfalls lebt meine Mutter – oder zumindest ein Teil von ihr – an Bord dieses Schiffes, und sie will Sie alle umbringen, genauso wie sie vor Ihnen schon andere umgebracht hat.“
„Royd, ich verstehe trotzdem nicht, was …“ hob d’Branin an.
„Lassen Sie den Kapitän das Ganze mal etwas genauer erklären“, unterbrach in Melantha.
„In Ordnung“, sagte Royd. „Die Nachtfee ist … wie könnte man sagen … sie ist auf dem höchstmöglichen tec h nischen Entwicklungsstand. Vollautomatisiert, repariert sich selbst, ein Wunderwerk der Technik. Das mußte sie schlie ß lich auch sein, denn Mutter wollte ja von der Notwendigkeit einer Mannschaft entbunden sein. Wenn Sie sich erinnern, erzählte ich Ihnen, daß sie auf Newholme gebaut wurde. Ich selbst war zwar nie dort, habe aber erfahren, daß der techn o logische Stand der Entwicklung auf Newholme nahezu pe r fekt ist. Ich bin der festen Meinung, daß man auf Avalon es nicht fertigbrächte, dieses Schiff nachzubauen, und es gibt nur sehr wenige Welten, auf denen dies möglich wäre.“
„Kommen Sie zur Sache, Kapitän.“
„Sofort, Melantha, sofort. Der springende Punkt ist soz u sagen das Bordcomputersystem. Kristallmatrixkerne, Date n speicherung auf komplexer Laserbasis und andere kaum vorstellbare Möglichkeiten und Eigenschaften.“
„Wollen Sie uns etwa erzählen, daß die Nachtfee ein sel b ständiges künstliches Lebewesen ist?“
„Nein“, erwiderte Royd, „jedenfalls würde ich sie nicht als solches bezeichnen. Aber so etwas Ähnliches. Mutter hat das Computersystem unter anderem mit ihrer Persönlichkeit programmiert. Der zentrale Kristall, gewissermaßen das Herz des Computers, wurde mit ihren Erinnerungen, Wü n schen, Launen, Sehnsüchten, aber auch ihren Haßgefühlen pr o grammiert. Sehen Sie, deshalb konnte sie auch den Co m puter mit meiner Erziehung beauftragen. Sie wußte ganz s i cher, daß er mich ganz genau so erziehen würde, wie sie selbst es getan hätte, wenn sie die Geduld dazu aufgebracht hätte. Übrigens hat sie auch noch Programme eingegeben, von denen Sie niemals träumen würden – aber lassen wir das.“
„Und Sie können diese Programme nicht löschen?“ fragte Karoly.
Royds Stimme bekam einen verzweifelten Klang. „Kar o ly, ich habe es auf alle nur möglichen Arten versucht. Ich blicke einfach nicht ausreichend durch, die Komplexität des Computeraufbaus übersteigt mein Fassungsvermögen. Ich habe die Emotionalitätsstruktur meiner Mutter – das, was ich vorhin als ‚Geist’ bezeichnete – mindestens dreimal g e löscht, beziehungsweise habe geglaubt, es sei mir gelungen. Sie ist nämlich jedesmal wieder aufgetaucht. Diese Struktur ist so etwas wie ein Phantomprogramm – ich kann einfach nicht herausfinden, wie und wo es organisiert ist. Jedenfalls taucht das, was ich ‚Mutter’ nenne, völlig unberechenbar immer wieder auf und verschwindet wieder. Ihre Erinneru n gen – ja, ihre gesamte Persönlichkeit – sind so mit den übr i gen Programmen des Computersystems verschmolzen, daß ich praktisch alles demontieren müßte, um mich von ihr zu befreien. Aber das würde mich vollkommen hilflos machen. Ich könnte niemals ein System von gleicher Komplexität erbauen. Ohne den Bordcomputer würde das ganze Schiff nutzlos sein, der Antrieb oder die Lebensmittelproduktion würden nicht mehr funktionieren. Ich müßte die Nachtfee verlassen, und das würde mein sicheres Ende bedeuten.“
„Aber mein lieber Freund“, sagte Karoly d’Branin, „das hätten Sie uns doch erzählen müssen. Auf Avalon haben wir die ausgefuchstesten Kybernetiker. Wir hätten Ihnen sicher helfen können. Wir alle als Wissenschaftler hätten Ihnen die besten Experten besorgen können.“
„Karoly, als ob ich das nicht schon alles probiert hätte! Zweimal hatte ich bereits Kybernetikexperten an Bord. Der erste erzählte mir genau das, was ich Ihnen gerade erzählt habe: daß es unmöglich sei. Der zweite war eine Frau, die auf Newholme ausgebildet worden war. Sie war der Me i nung, daß sie mir helfen könne. Mutter hat sie einfach u m
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