Kopernikus 2
matplaneten wurde ihre Begabung als Fluch betrachtet, als etwas Widernatürliches und Abscheuliches. So hat man eben versucht, sie davon zu kurieren. Man hat die verschiedena r tigsten Drogen eingesetzt, mit Elektroschocks gearbeitet und Hypnotraining angewendet, mit dem Effekt, daß es ihr j e desmal speiübel wurde, wenn sie versuchte, ihre Fähigkeiten einzusetzen. Natürlich hat sie niemals ihre Kräfte verloren, allerdings wohl die volle, bewußte Kontrolle über sie. Sie wurden immer unterdrückt, latent gehalten und rangierten als Quelle von Scham und Schmerz. Fünf Jahre in solchen Heilanstalten haben sie an den Rand des Wahnsinns getri e ben. Kein Wunder, daß sie starke Haßgefühle auf Menschen entwickelte.“
„Welche Fähigkeit war denn am besten in ihr entwickelt? Etwa Telepathie?“
„Nein. Na ja, vielleicht waren Rudimente vorhanden. S o weit ich weiß, verfügen alle Psi-Talente über einen Kanon latenter Kräfte, die sich gleichsam um ihre Spezialität he r umgruppieren. Mutter konnte keine Gedanken lesen, hatte aber rudimentär ausgeprägte empathische Fähigkeiten, die allerdings durch die fatalen Therapien völlig durcheinander gebracht worden waren, so daß sie immer starke Schmerzen empfand, wenn sie sich in die Gefühlswelt eines anderen hineinzusetzen versuchte. Ihre am stärksten ausgeprägte Kraft war jedoch telekinetischer Natur. Fünf Jahre haben sie gebraucht, um dieses Talent zu zerstören.“
Melantha Jhirl fluchte laut und vernehmlich. „Kein Wu n der, daß sie es unter den Bedingungen der Schwerkraft nicht ausgehalten hat. Telekinese im Zustand der Schwerelosi g keit hingegen …“
„Ja“, beendete Royd seine Ausführungen. „Wenn die Nachtfee ein künstliches Schwerefeld aufbaut, bereitet mir das Schmerzen, Mutter hingegen wird relativ eing e schränkt.“
Schweigen. Alle starrten hinab in den dunklen Schacht zum Antriebsraum. Schließlich rutschte Karoly unbehaglich auf seinem Schlitten herum. „Sie sind nicht zurückgeko m men“, sagte er bedrückt.
„Vermutlich sind sie tot“, erwiderte Royd emotionslos.
„Royd, was wollen wir jetzt unternehmen? Wir müssen irgend etwas planen. Wir können hier nicht bis in alle Ewi g keit herumhocken.“
„Zunächst stellt sich mal die Frage, was ich tun kann“, antwortete Royd. „Wie Sie wohl bemerkt haben werden, habe ich eben alles gesagt und Ihnen nichts mehr vorentha l ten. Ich war Ihnen das schuldig. Ihr Unwissen schützt Sie nämlich mittlerweile auch nicht mehr, im Gegensatz zu fr ü her. Die Situation ist im Augenblick jedoch völlig anders. Zu viele Menschen mußten sterben, und Sie mußten alles mitansehen. Mutter wird unter keinen Umständen zulassen können, daß sie beide lebend nach Avalon zurückkehren.“
„Das ist, weiß Gott, wahr. Aber wie sieht es eigentlich mit Ihnen aus? Hat sich Ihr vormaliger Status, den Sie Ihrer Mutter gegenüber einnehmen, geändert?“
„Das ist Crux des Ganzen“, gab Royd zu. „Sie sind doch immer drei Züge im voraus, Melantha, allerdings bin ich mir nicht sicher, ob das in diesem Falle ausreicht. Ihr Gegner hat nämlich immer noch einen Zug Vorsprung, und die meisten Ihrer Figuren hat er Ihnen abgenommen. Ich fürchte, daß ein Schachmatt Ihrerseits unvermeidlich sein wird.“
„Es sei denn, ich kann den König meines Gegners dazu überreden, in mein Lager überzuwechseln, oder nicht?“
Sie beobachtete, wie sich ein schwaches Lächeln auf se i ne Lippen stahl. „Vermutlich würde sie mich in einem so l chen Fall ebenfalls umbringen.“
Es dauerte eine Weile, bis Karoly d’Branin verstanden hatte, worum es überhaupt ging. „Aber … was bliebe Ihnen denn sonst überhaupt übrig?“
„Mein Schlitten ist im Gegensatz zu Ihren Fahrzeugen mit einer Laserwaffe ausgestattet. Ich könnte Sie beide zum Be i spiel in diesem Augenblick töten und mich dadurch wieder rehabilitieren.“
Etwa drei Meter Distanz lagen zwischen ihm und M e lantha. Sie sah ihm fest in die Augen. „Probieren Sie es doch, Kapitän. Aber bedenken Sie wohl, daß es nicht so ei n fach sein wird, ein veredeltes Modell zu töten.“
„Ich will Sie wirklich nicht töten, Melantha Jhirl“, sagte Royd ernst. „Sehen Sie, ich bin nun achtundsechzig Sta n dardjahre, nach Erdzeit gemessen, am Leben, aber im Gru n de habe ich niemals gelebt. Ich bin müde – Sie hingegen faszinieren mich ungemein. Wenn wir verlieren, werden wir alle drei sterben. Wenn wir jedoch Erfolg haben, muß ich ebenfalls
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