Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Korridore der Zeit

Korridore der Zeit

Titel: Korridore der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poul Anderson
Vom Netzwerk:
hätte sich nicht von dem Instrument in seinem Ohr verführen lassen, sondern von den wenigen Brocken Gebrauch machen sollen, an die er sich noch vom College her erinnerte.
    »Ich bin dort geboren«, sagte Lockridge. »Mein Vater lebte lange Jahre als Handelsagent dort. Glauben Sie mir, daß ich ein ehrenwerter Bürger bin.« Er griff in seine Geldbörse und brachte zwei Goldstücke zum Vorschein. Er ließ sie in der Hand klingen. »Sie sehen, ich kann es mir erlauben, anständige Männer auf mein Wohl trinken zu lassen.«
    »Friedrich! Hole den Junker!« Ein Landsknecht eilte durch das tunnelartige Tor davon. Sein Speer ratterte über das Kopfsteinpflaster. Lockridge trat zurück. »Bleiben Sie, wo Sie sind, Fremder.« Eine blitzende Waffe verlegte ihm den Weg.
    Auri griff nach Lockridges Arm. Der Feldwebel zwirbelte seinen Schnauzbart. »Die da ist nie die Frau eines wohlhabenden Mannes«, sagte er. »Ihre Haut verrät es. Sie ist wie ein Bauernmädchen in der Sonne gewesen.« Er fuhr sich mit dem Rücken einer haarigen Hand über den Mund und überlegte. »Aber sie geht wie eine Dame«, murmelte er. »Wer seid ihr beiden wirklich?«
    Lockridge sah, wie die Furcht in Auris Augen der Scham über die Art wich, wie die Landsknechte sie musterten. Es zuckte ihm in den Fingern, zur Waffe zu greifen. »Hütet eure Zunge!« bellte er. »Oder ich lasse euch auspeitschen.«
    Der Feldwebel kicherte. »Oder ich sehe euch am Galgen, am andern Ende der Stadt – als Spione. Die Krähen werden euch willkommen heißen.«
    Lockridge schluckte. Er hatte nicht mit Schwierigkeiten gerechnet. Was war schiefgegangen? Er sah sich vergebens nach einem Fluchtweg um. Es gab keinen. Hakenbüchsen mit glimmenden Lunten warteten darauf, abgefeuert zu werden, das Klappern eisenbeschlagener Hufe näherte sich.
    Der Reiter kam in Sicht, in eine Halbrüstung gekleidet, Arroganz im schmalen, blassen Gesicht. Er mußte einer dieser dänischen Aristokraten sein, dachte Lockridge, Vorgesetzter dieser Wache, dieser fremden Garnison in seinem eigenen Volk. Die Deutschen salutierten unbeholfen. »Hier ist Junker Erik Ulfeld«, verkündete der Feldwebel. »Erzählen Sie ihm Ihre Geschichte.«
    Blonde Brauen hoben sich. »Was haben Sie zu sagen?« fragte Ulfeld, sich ebenfalls der deutschen Sprache bedienend.
    Lockridge nannte seinen richtigen Namen und wiederholte seine Erzählung, die er mehr mit Einzelheiten ausschmückte. Ulfeld strich sich über das Kinn. Er war glatt rasiert, aber es klang, als glitte sein Hand über Sandpapier.
    »Welche Beweise haben Sie?«
    »Keine Dokumente, Herr«, sagte Lockridge. Er spürte, wie Schweiß aus seinen Achselhöhlen tropfte. »Sie sind beim Schiffbruch verloren gegangen.«
    »Kennen Sie jemanden hier?«
    »Ja, im Gasthaus zum Goldenen Löwen ...« Lockridges Stimme brach mit einem Mißklang ab. Ulfeld hatte die Hand an den Schwertgriff gelegt. Lockridge verstand und verwünschte seinen Diaglossa. Die Frage war auf Dänisch gestellt worden, und er hatte in der gleichen Sprache geantwortet.
    »Ein Engländer, der zwei Sprachen so gut spricht?« murmelte Ulfeld. Seine hellen Augen schossen Blitze. »Oder ein Mann des Grafen Christoph?«
    »Bei Gott, Herr!« stieß der Feldwebel hervor. »Ein Mörder und Brandstifter!«
    Waffen zuckten bedrohlich näher. Die Erkenntnis kam Lockridge zu spät. Weil es Schießpulver gab, weil die Erde umschifft worden war, weil Kopernikus lebte, hatte er sich nicht die Mühe gemacht zu überlegen, wie verschieden dieses Zeitalter von seinem eigenen war. Die Häuser waren aus Holz, die Dächer mit Stroh gedeckt, Wasser konnte nur eimerweise aus den Brunnen gezogen werden, so daß es kein Wunder war, daß immer wieder ganze Städte durch Brände vernichtet wurden. Die Furcht dieser Tage vor feindlichen Brandstiftern erinnerte ihn an die Furcht, die in seiner Zeit vor Atombomben geherrscht hatte.
    »Nein!« rief er. »Hören Sie mich an! Ich habe in Dänemark und in deutschen Städten gelebt ...«
    »Sie sagten, ein guter Bürger könne Sie identifizieren«, fuhr der Däne fort. »Wer ist er?«
    »Sie nennen ihn Jesper Fledelius«, sagte er.
    »Zum Henker!« Ulfelds Ruhe wich Erregung. Sein Pferd wieherte und warf den Kopf mit flatternder Mähne zurück. Der Feldwebel gab seinen Landsknechten einen Wink, und sie schlossen sich enger um die Fremden.
    Großer Gott, dachte Lockridge, sitzen wir noch nicht genug in der Klemme? Er schien eine Dummheit gemacht zu haben, hätte warten sollen,

Weitere Kostenlose Bücher