Korridore der Zeit
bis er wußte, welche Bedeutung sich hinter dem Namen verbarg. Es kam ihm kaum zu Bewußtsein, daß man ihm Schwert und Messer abnahm, daß Auri von rauhen Händen auf Waffen abgetastet wurde.
Ulfeld trug wieder die Maske des Gleichmutes. »Im Gasthaus zum Goldenen Löwen, sagten Sie?« fragte er.
»Ja, Herr. So wurde mir berichtet. Wenn es auch sein mag, daß er zur Zeit nicht dort ist. Ich war seit Jahren nicht in Dänemark. Ich weiß kaum, was hier inzwischen geschehen ist. Ich habe diesen Jesper noch nie gesprochen. Meine Handelsgesellschaft nannte seinen Namen nur als den eines Mannes, der uns helfen könnte, neue Handelsbeziehungen anzuknüpfen. Wäre ich so offen gekommen, Herr, wenn ich ein feindlicher Agent wäre?«
»Hätten Sie, wenn Sie ein echter Kaufmann wären, nicht gewußt, daß Sie nicht einfach hierher kommen können, als wären wir Wilde, mit denen jeder Handel treiben kann?« entgegnete Ulfeld.
»Er hat einen vollen Geldbeutel, Junker«, sagte der Feldwebel hastig. »Er hat versucht, sich den Weg durch das Tor zu erkaufen.« Lockridge hätte dem Burschen am liebsten die Zähne eingeschlagen.
Ulfeld schien den Einwurf nicht gehört zu haben. »Holen Sie eine Rotte, die die Gefangenen begleitet«, befahl er.
»Ich werde mitkommen, Herr«, sagte der Feldwebel.
Ulfelds Lippen verzogen sich spöttisch. »Sie riechen die Belohnung, wie? Es steht tatsächlich ein Preis auf Jespers Kopf. Aber Sie bleiben auf Ihrem Posten.«
Die Landsknechte murmelten unzufrieden. Ulfeld sah sie scharf an. Sie verstummten und blickten zur Seite; wahrscheinlich dachten sie an den Galgen hinter der Stadt.
»Gehen wir ins Gasthaus«, sagte Ulfeld. »Vielleicht erfahren wir dort mehr. Fragen kann ich nachher stellen.«
Weitere Fußsoldaten erschienen. Ulfeld befahl ihnen, mit den Gefangenen nachzukommen und ritt durch das Tor voran. Vor dem Gasthaus erwartete er sie. Licht fiel von Tür- und Fensterspalten in die nun tiefe Dämmerung. Lockridge konnte gerade noch das von Wind und Wetter benagte Wahrzeichen mit dem goldenen Löwen erkennen. Die Landsknechte setzten ihre Piken polternd ab. Einer von ihnen beeilte sich, den Steigbügel zu halten, als der Junker absaß. Helm und Brustharnisch schimmerten matt, als Ulfeld mit gezogenem Schwert wartete, während einer der Söldner mit den Fäusten gegen die Tür hämmerte.
Kreischend öffnete sich die Tür. Ein kräftiger kleiner Mann spähte hinaus und sagte ärgerlich: »Wir wollen euresgleichen nicht als Gäste in einem anständigen Haus – Herr Ritter, ich bitte um Verzeihung!« fügte er hinzu, als er Ulfelds ansichtig wurde.
Ulfeld schob ihn beiseite. Lockridge und Auri gaben dem Drängen der Landsknechte nach und folgten ihm. Der Raum war klein. Ein Mann aus dem 20. Jahrhundert würde mit dem Kopf gegen die verrußten Deckenbalken stoßen, wenn er sich aufrichtete, und die Wände würden ihm bedenklich nahekommen. Lampen flackerten auf Wandbrettern und verbreiteten mattes Licht und tanzende Schatten. Ein Ofen spendete mäßige Wärme, rauchte aber so stark, daß Lockridges Augen zu tränen begannen. An dem über zwei Fässer gelegten Brett, das als Tisch diente, saß ein Mann mit einem Krug Bier.
»Wer ist sonst noch bei Ihnen zu Gast?« fragte Ulfeld.
»Niemand, Herr. Das Geschäft geht schlecht in diesen Tagen.«
Ulfeld gab den Landsknechten einen Wink. »Durchsucht das Haus.« Er näherte sich dem einsamen Gast, der auf der Bank sitzen geblieben war. »Wer sind Sie?«
»Torben Jensen Sverdrup, aus Vendsyssel«, antwortete der Mann mit tiefem, angenehmem Baß. »Verzeihen Sie mir, daß ich nicht aufstehe. Ich schleppe seit langen Jahren schwedisches Eisen im Bein herum. Suchen Sie jemanden?«
Ulfeld funkelte ihn an. Der Mann war groß und hatte breite Schultern und einen mächtigen Wanst. Pockennarben und eine breitgeschlagene Nase entstellten sein Gesicht, aber die Augen waren hell und gutmütig.
»Können Sie nachweisen, wer Sie sind?« fragte Ulfeld.
»Sicher, sicher. Ich bin in Geschäften unterwegs, versuche, wieder Leben in den Viehhandel zu bringen.« Er rülpste. »Wollen Sie ein Glas mit mir trinken? Ich denke, ich habe sogar ein paar Münzen übrig, um auch Ihre Leute einzuladen.«
Ulfeld hob sein Schwert, bis dessen Spitze auf den Hals des Mannes deutete. »Jesper Fledelius!«
»Hä? Wer ist das? Nie von ihm gehört.«
Dem ängstlichen Kreischen von weiblichen Stimmen aus den Hinterräumen folgte rauhes Lachen der Landsknechte. »Aha,
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