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Kostas Charitos 05 - Der Großaktionär

Kostas Charitos 05 - Der Großaktionär

Titel: Kostas Charitos 05 - Der Großaktionär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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abgegeben haben?«
      Sein Gedankengang ist genauso überzeugend wie unsere Mienen ratlos. »Können wir uns denn an gar nichts festhalten?« frage ich, obwohl ich die Antwort kenne.
      »Scheinbar nicht. Haben Sie vergessen, daß die Archive der Polizei in Keratsini verbrannt sind, gerade als man sich zu versöhnen versuchte? Sie sind nicht symbolisch, sondern tatsächlich verbrannt, und es gibt keine Abschriften.«
      Sissis kommt mir in den Sinn. »Es gäbe schon einen Anhaltspunkt«, sage ich zu Gikas.
      »Und welchen?«
      »Die Rentenanträge der Widerstandskämpfer. Dort wird bestimmt der Werdegang jedes Antragstellers aufgeführt.«
      »Gute Idee«, meint er, und sein Gesicht hellt sich auf. »Ich setze sofort ein paar Leute darauf an, die Archive zu durchforsten. Hat der Minister gestern nicht gesagt, wir könnten soviel Verstärkung bekommen, wie wir wollten? Eine Gelegenheit für ihn, zu seinem Wort zu stehen.«
      »Und was ist mit den Angehörigen der Sicherheitsbataillone?«
      Er hebt kraftlos die Arme. »Da liegen die Dinge viel komplizierter. Als viele von ihnen nach dem Krieg von den Briten in das Korps der Polizei eingegliedert wurden, sind Angaben über ihre Tätigkeit in den Sicherheitsbataillonen gelöscht worden. Heute weiß keiner mehr, wer und wie viele dabei waren.« Er hält kurz inne und ringt sich die Bemerkung ab: »Jedenfalls kenne ich einen, an den Sie sich wohl auch erinnern werden.«
      »Wen?« frage ich wißbegierig.
      »Kostaras.«
      Fast wäre mir der Ausruf »Sissis' Folterknecht!« herausgerutscht, doch ich beiße mir auf die Lippen. Selbst heute spricht man nicht gern über Folterer. »Ich erinnere mich an ihn. Damals war ich gerade neu im Polizeidienst und arbeitete als Gefangenenwärter.«
      Gikas lacht auf. »Und immer wenn ihr die Häftlinge abgeholt habt, hat er euch gezwungen, die Folter mit anzusehen - angeblich zu Ausbildungszwecken.«
      »Ist er noch am Leben?« frage ich, um zum einen auf das Thema einzugehen, zum anderen jedoch dem unerfreulichen Gespräch eine neue Wendung zu geben.
      »Soviel ich weiß, ja. Wenigstens bis vor kurzem lebte er noch. Wie Sie wissen, war er einer von denen, die sofort nach der Junta aus dem Dienst entlassen wurden. In der Zwischenzeit ist seine Frau verstorben. Kinder hat er keine, und so ist er in einem Altenheim gelandet. Wenn Sie wollen, kann ich Namen und Adresse herausfinden.«
      Ich habe keinerlei Lust, Kostaras' Fresse wiederzusehen. Und ich glaube nicht, daß er sich mir gegenüber offenherzig zeigen wird. Schlußendlich ist er durch seine Rolle in der Militärdiktatur schon genug ins Kreuzfeuer der Kritik geraten, da wird er sich nicht gerade mit seiner Tätigkeit bei den Sicherheitsbataillonen brüsten wollen. Auf der anderen Seite ist seine Person aber, ob ich will oder nicht, der einzige Bezugspunkt, den ich habe.
      »Ja, ich würde gerne mit ihm sprechen.«
      Ich fahre zur Garage hinunter, um den Mirafiori zu holen und zum Sender Radio Time zu fahren, bei dem die Jannakaki beschäftigt war. Er liegt in Jerakas, direkt an der Ira-kliou-Straße, und ich parke vor dem Eingang. Die Empfangsdame reagiert mit einem »Ach ja, ich verstehe, Sie kommen wegen Chara Jannakaki«, als sie meinen Namen und Dienstgrad hört. »Da müssen Sie mit unserem Direktor, Herrn Loukanidis, sprechen.«
      Sie läßt mich zwei Telefonate lang warten, bis mich ein Mittdreißiger mit kurzem Haar, einem rosafarbenen Sommerhemd und weißen Jeans empfängt. Das Sympathischste an ihm ist sein freundliches, ehrliches Lächeln.
      »Setzen Sie sich, Herr Kommissar«, meint er und deutet auf den einzigen Stuhl vor seinem Schreibtisch.
      »Ich werde Sie nicht lange aufhalten. Ich möchte bloß einige Lücken in den Vernehmungen schließen. Hat Ihnen Chara Jannakaki in der letzten Zeit einen unruhigen oder gequälten Eindruck vermittelt?«
      Seine Antwort ist prompt und unmißverständlich. »Nein, absolut nicht. Ich darf Ihnen sagen, daß sie sehr offen zu mir war. Wir haben gleichzeitig beim Sender angefangen, und aus dieser gemeinsamen Erfahrung der ersten beruflichen Schritte ist uns ein Vertrauensverhältnis geblieben. Ich versichere Ihnen, daß sie in keiner Weise verändert schien.«
      »Hat Sie Ihnen gegenüber vielleicht erwähnt, daß sie sich in der letzten Zeit verfolgt fühlte?«
      »Abermals nein, aber vielleicht sollten Sie dazu Klearchos, den Toningenieur, befragen. Er hat sie weit

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