Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Kostbar wie ein Tag mit dir - Roman

Titel: Kostbar wie ein Tag mit dir - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Fraser
Vom Netzwerk:
Herz klopft so heftig, dass ich sicher bin, er kann es auch hören.
    »Non, Annie.« Er lehnt sich gegen die Wand. »ich sage dir bloß, wie es kommen wird. Jetzt bist du diejenige, die den Lauf unseres Schicksals verändert.«

34
 
    M eine Großmutter hat mir das Kartenspielen beigebracht. An den regnerischen grauen Tagen in den Schulferien, wenn Mummy arbeiten war, saßen wir stundenlang zusammen am Tisch, verteilten Streichhölzer, gaben die Karten aus und spielten Poker, Romme und Siebzehnundvier. »Schnippschnapp ist was für Amateure«, sagte Grandma immer. Sie brachte mir alle Tricks bei: wie man mischt, wie man gibt, wie man blufft und wie man setzt. Mit sieben oder acht war ich schon eine gewiefte Spielerin.
    Wir spielten Karten, und sie redete dabei. Sie erzählte mir von der Vergangenheit, als sie noch ein Mädchen war und später, während des Krieges, eine junge Frau. Sie erzählte auch von den Männern, die sie geheiratet hatte. Sie wusste viel über Männer. Manchmal vergaß sie, was sie mir erzählt hatte, und erzählte mir das Gleiche noch einmal. Aber das störte mich nicht. Ich liebte ihre Geschichten.
    Doch wenn meine Mutter zu Hause war, schüttelte sie den Kopf und sagte mit zusammengebissenen Zähnen: »Mutter, die Geschichte hast du uns doch schon mal erzählt.«
    Folglich war es mir lieber, wenn meine Mutter nicht da war und nur wir beide Karten spielten und uns unterhielten. Manchmal erzählte Grandma mir auch von meinem Großvater, dem Vater meiner Mutter, der ihr erster Mann gewesen war. Ich kannte ihn nur aus ihren Geschichten, denn er war gestorben, als ich noch ein Baby gewesen war, sodass ich mich nicht an ihn erinnern konnte. Und meine Mutter sprach natürlich nie über die Vergangenheit. »Für Nostalgie habe ich keine Zeit«, pflegte sie zu sagen.
    »Hast du ihn geliebt, Grandma?«, fragte ich einmal.
    »Ja, sehr!« Sie fächelte sich mit ihren Karten Luft zu. »Ihn habe ich am meisten geliebt.«
    mir fiel auf, dass ihr Hals sich gerötet hatte, und als sie die Karten schwenkte, konnte ich einen Herzkönig und ein Pikass sehen. Ich hatte zwei Königinnen.
    »Und warum hast du ihn dann verlassen?« ich war überrascht. Sie hatte sich von ihm getrennt, als meine Mutter noch ein Baby war.
    Grandma antwortete mir nicht sogleich. Sie nahm sich Zeit, konzentrierte sich auf ihr Blatt, überlegte, welche Karten sie behalten und welche sie ablegen sollte. Schließlich warf sie zwei auf den Tisch, also legte auch ich zwei ab. ich beobachtete, wie sie die beiden aufnahm, und lächelte dann, als sie ihr Blatt neu ordnete und es dabei dicht an die Brust hielt. ich fragte mich, ob sie mal wieder bluffte. Meine Großmutter konnte gut bluffen.
    »Weil ...« Sie war immer noch mit ihrem Blatt beschäftigt und lächelte verschmitzt, ohne mich anzusehen. »... dein Großvater nicht gewusst hat, was er an mir hatte.«
    Ja, sie bluffte ganz bestimmt. Oder? Ich war nicht hundertprozentig sicher. Aufmerksam beobachtete ich ihr Gesicht, das Flackern in ihren Augen, die Art, wie sie den Mund verzog, als sie ihre Karten anlächelte. Meine Großmutter muss damals um die achtzig gewesen sein. Ich hatte Fotos von ihr als junge Frau gesehen. Am meisten gefiel mir das, auf dem sie lachend auf dem Kotflügel eines Autos saß, neben sich einen Soldaten, der den Arm um ihre Taille gelegt hatte. In ihrem schräg geschnittenen Seidenkleid im Stil der vierziger Jahre - wie das Auto - war sie schön. Ihr langes, gelocktes Haar war so rot wie das von Rita Hayworth - sie sah aus wie ein Filmstar. Auch jetzt war sie immer noch eine schöne Frau, obwohl ihr Haar inzwischen schneeweiß war.
    Sie beobachtete mich über ihre Karten hinweg. »Du darfst ihnen nie das Gefühl geben, dass du ihnen sicher bist, Annie. Niemals.« Und dann, mit einem Augenzwinkern, warf sie drei Streichhölzer auf den Tisch.
    Ihre Ratschläge für das Leben und insbesondere für den Umgang mit Männern gingen bei mir damals natürlich zum einen Ohr rein und zum andern wieder raus. In dem Alter interessierte ich mich für Märchen - für schöne Prinzessinnen, die von gut aussehenden Prinzen entführt wurden und bis an ihr Lebensende glücklich waren. Der Prinz liebte die Prinzessin, das allein war wichtig. Ende. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.
    Schon als ich noch eine junge Frau war und gerade erst zwanzig wurde, behauptete meine Mutter immer, das wäre mein Problem: »Du bist so offen, Annie MacIntyre!«, meinte sie,

Weitere Kostenlose Bücher