Krank für zwei
macht. Herr Vedder spricht, Sie schreiben. Einverstanden?«
Max nickte brav.
»Dann sehen wir uns heute Abend oder spätestens morgen früh um acht zur Dienstbesprechung. Wichtige Neuigkeiten gehen direkt an mich, jeder läßt sein Handy an. Alles klar?«
Keiner antwortete mehr. Stühle wurden herumgeschoben.
»Na, dann wollen wir mal«, sagte Jan Vedder zu Max.
»Und paßt auf euch auf«, Marlene Oberste war schon auf dem Weg nach draußen, drehte sich aber noch einmal um. »Der Täter ist nicht ohne. Gelegentlich schlitzt er seinen Opfern ein Zeichen in den Rücken.«
»Der Täter – oder die Täterin«, sagte Max, diesmal gar nicht leise, sondern ziemlich laut.
»Oh«, Hauptkommissarin Oberste sah Max amüsiert an. »Unser Praktikant macht intelligente Bemerkungen. Aber er hat recht. Unser Täter ist im Zweifelsfall gern auch eine Frau.«
»Gera auch«, sagte Max und grinste.
»Gern auch«, sagte Marlene Oberste und grinste noch mehr.
17
»Sie ist gut«, sagte Max, als sie im Auto saßen.
»Sie ist nicht gut«, verbesserte Jan Vedder ihn. »Sie ist verdammt gut. Die beste, unter der ich je gearbeitet habe. Sie ist strukturiert. Außerdem versteht sie es, ihre Leute zum selbständigen Denken zu bringen.«
Vedder fuhr mit Schwung aus der Parklücke an der Polizeistation und fädelte sich in den Verkehr stadtauswärts ein.
»Hast du Frau Peuler schon kennengelernt?« Max sah Jan Vedder von der Seite an.
»Allerdings, ich war gestern mit der Chefin dort. Wir mußten die Todesnachricht überbringen.«
»Und?«
»Ein Zusammenbruch. Wir mußten einen Arzt kommen lassen, sonsthätten wir sie gar nicht allein zurücklassen können.«
»Folglich habt ihr auch nicht viel aus ihr herausbringen können?«
»Das kann man so sagen. Danach hat sie kein Wort mehr gesprochen.«
»Hat sie ein Alibi?«
»Nein, nicht wirklich. Aber mal im Ernst. Wer hat das schon morgens kurz nach sieben? Kaum jemand, es sei denn, man muß um die Zeit schon seine Arbeitsstelle antreten.« Vedder fuhr für einen Polizisten ziemlich zügig. Die beiden Ampeln auf der Westtangente hatte er mit Dunkelorange genommen. Max fühlte sich an seine Taxifahrerzeit erinnert.
»Sie hat zwar kein Alibi«, nahm Vedder den Faden wieder auf. »Andererseits hat auch niemand sie weggehen sehen. Das Auto ihres Mannes ist um halb sieben aus der Einfahrt gefahren. Das hat ein Anwohner beobachtet. Ansonsten hat sich auf dem Grundstück nichts getan – sagen jedenfalls die Nachbarn.«
»Das heißt, Frau Peuler hat noch gemütlich im Bett gelegen, als es passierte?« Max blickte aus dem Fenster. Mittlerweile waren sie auf der Ausfallstraße zum Ortsteil Selingen. Er genoß die Landschaft. Jetzt, da er nicht mehr hier wohnte, hatte er wirklich ein Auge für die hügelige Schönheit des Sauerlandes bekommen.
»Das nicht. Sie ist mit ihrem Mann aufgestanden, hat ihm brav Frühstück gemacht und ist anschließend zum Duschen gegangen. Als wir sie zwei Stunden nach Entdecken der Leiche informiert haben, wollte sie gerade einkaufen gehen.«
»Gibt es keine Kinder im Haus? Oder sind die schon erwachsen?«
»Die Peulers haben keine Kinder.« Endlich ließ Vedder per Knopfdruck sein Fenster herunter. Max holte tief Luft. »Die beiden lebten allein in dem großen Haus, nach außen hin sehr glücklich.«
»So glücklich, daß man die Ehefrau ausblenden kann?«
»Wann kann man das schon? Nun, gestern schien es mir, als schließe die Chefin die Ehefrau weitgehend aus. Sie meinte, das hätte die Peuler auch einfacher haben können – zu Hause, ein Arbeitsunfall oder so. Da macht die sich nicht den Streß und schleicht sich aus dem Haus ins Krankenhaus, wo sie von Hinz und Kunz hätte gesehen werden können.«
»Das leuchtet ein.«
»Klar. Aber du hast ja gehört, wir sollen ihr noch mal auf den Zahn fühlen. Außerdem muß sie uns bei der Suche nach dem Mörder unterstützen. Wenn sie wirklich mit ihrem Alten im reinen war, wird sie wohl am besten wissen, mit wem er Streß hatte.«
Vedder bog links von der Bundesstraße ab und fuhr in das Ortsinnere hinein. Max sah im Vorbeifahren die alte Kneipe, in der die dorfeigene Theatergruppe regelmäßig ihre Stücke aufführte. Dann wurden die wunderschönen alten Fachwerkhöfe sichtbar, für die das Dorf bekannt war.
Vedder hatte offensichtlich derzeit keinen Unser-Dorf-soll-schöner-werden-Blick. »Weißt du, vielleicht kann uns die Ehefrau auch etwas zum Kreuz sagen. Du hast ja selbst gesehen, daß wir da nicht
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