Krank in Deutschland. Ein Tatsachenreport
Heimatstadt verlassen. Er nahm den Job jedoch an und zog die mehrere hundert Kilometer nach Norddeutschland, um nur ja nicht arbeitslos zu werden. Doch er fand einen Arbeitsplatz vor, der für ihn zur Hölle wurde. Das Gefühl, einem perfiden Mobbing ausgesetzt zu sein, endete nach einem Jahr vor dem Arbeitsgericht in Hamburg. Die Richter gaben dem Mann recht. Eine Weiterarbeit unter diesen Umständen empfanden auch sie als nicht mehr zumutbar. Eine entsprechende Abfindung erfolgte, die der Mann jedoch erst erhielt, als er gegen den Arbeitgeber eine Kontopfändung veranlasste.
Drei Monate lang blieb der Mann arbeitslos, aber schließlich konnte er sich doch mit Erfolg um eine neue Anstellung bewerben. Die neue Tätigkeit bestand in der Alarmverfolgung, genauer gesagt in der Bewachung von Einzelhandelsläden mit einem schweren Motorrad. Der Job bedeutete, dass er zwölf Stunden an sechs Tagen in der Woche unterwegs war, immer auf dem Motorrad, ob es regnete oder schneite. Die untertarifliche Entlohnung von 6,40 Euro in der Stunde nahm er in Kauf. Hauptsache, er konnte sich durch eigene Arbeit seinen Lebensunterhalt verdienen! Doch die harte physische Belastung durch die neue Tätigkeit blieb nicht in den Kleidern hängen. Anfang des Jahres 2009 bekam er plötzlich Lähmungen in Armen und Beinen, die zu einem Sturz auf der Treppe führten. In der Folge wurde er arbeitsunfähig geschrieben. Die Firma interessierte das nicht. Dem Mann wurde während der Krankheitsphase gekündigt. Im Krankenhaus stellte man eine versteifte Wirbelsäule im Lendenwirbelbereich fest. Die Krankschreibung erfolgte durch einen Arzt in Hamburg. Dieser hob die Krankschreibung aufgrund mehrerer Anrufe der Krankenkasse auf. Was nun?
»Ich werde mir halt einen neuen Hausarzt suchen!«, sagte sich der Mann. Doch was er sich als einfachste Sache von der Welt vorstellte, entwickelte sich zu einem wahren Klinkenputzen. Für einen arbeitslosen, kranken Menschen schienen andere Gesetze zu gelten als für normale Leute. Die ortsansässigen Hausärzte, die der Mann konsultierte, ließen ihn wissen, sie nähmen derzeit keine neuen Patienten auf. Erst durch eine Notfallsituation kam der Mann schließlich zu einem Hausarzt, der sich intensiv mit ihm befasste. Sein allgemein nicht rosiger Gesundheitszustand verschlimmerte sich in dieser Phase zusehends: Er erlitt einen Hörsturz mit permanentem Tinnitus, weitere Lähmungen in Armen und Beinen traten auf, eine Polyneuropathie wurde diagnostiziert, sein Gehapparat stellte sich als durch Knie- und Hüftprobleme eingeschränkt dar. Für sein beeinträchtigtes Gehör benötigte er inzwischen ein Hörgerät. Fortbewegen konnte er sich praktisch ausschließlich mit Gehhilfen, da er durch das Versagen der Beine öfter stürzte. Dreimal wöchentlich braucht er eine Injektion gegen die Schmerzen. Aufgrund dieses Krankheitsbildes und eines amtsärztlichen Gutachtens wurde ein Kurantrag gestellt. Die Deutsche Rentenversicherung genehmigte diesen Antrag nach langem Hin und Her, und der Mann fuhr auf Kur. Es stellte sich nur leider heraus: Die ihm zugewiesene Rehaklinik war leider gar nicht für sein Krankheitsbild ausgelegt (auch dieser Umstand übrigens kein Einzelfall), und so wurde seine Erkrankung in der Folge schlimmer statt besser.
Der engagierte Hausarzt schrieb den Mann nach der missglückten Rehamaßnahme weiterhin krank. Sein Antrag beim Landesamt für Soziales, Jugend und Familie, man möge ihn doch vom bestehenden Schwerbehindertengrad GDB 30 % auf GDB 50 % einstufen, wurde rückwirkend genehmigt. Doch nun bekam der Hausarzt Schwierigkeiten. Wiederholt versuchte die Krankenkasse, Leistungen für den »nutzlosen Kostenfaktor arbeitsloser Kranker« zu verweigern. Für eine sogenannte Befreiungskarte musste er sogar die Rechtsabteilung von ver.di einschalten. Mehrere couragierte Ärzte unterstützten den Mann mittlerweile, indem sie sich für eine neuerliche Rehamaßnahme in einer dafür spezialisierten Klinik starkmachten. O Wunder! Tatsächlich erfolgte schließlich ein positiver Bescheid für eine neue Rehamaßnahme, und er sah sogar die von den Ärzten empfohlene Klinik vor. Jedoch wurde der Bescheid einige Tage später wieder korrigiert, da die Deutsche Rentenversicherung es einmal mehr besser wusste. Sie hatte eine andere Klinik für ihn ausgewählt.
Mittlerweile hatte ihm die Krankenkasse in einem Schreiben die Erschöpfung seines Krankengeldes angedroht. Beiläufig erfuhr der Mann vom bearbeitenden
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