Krank in Deutschland. Ein Tatsachenreport
den hartnäckigen Kampf des armen Mannes bewegt. Grundsätzlich soll seine Rente rückwirkend genehmigt werden, nachdem er ordnungsgemäß Krankengeld und ordnungsgemäß den Anspruch auf Arbeitslosengeld bezogen hat. Inzwischen hat die Krankenkasse aber auch Rückforderungsansprüche gestellt. Das Arbeitsamt wird dies wohl auch noch nachträglich tun. Man kann es kaum fassen! Da führen also zwei Behörden einen ebenso absurden wie teuren Streit darum, wer dem nackten Mann in die Tasche greifen darf. In der kreativen Ausgestaltung von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen lassen wir Deutschen uns noch immer von niemandem in der Welt übertreffen.
Unser Mann steht nun mit Ende 40 da. Er ist krank, hat mittlerweile einen Berg von Schulden. Obwohl er immer gearbeitet hat oder arbeitswillig war, zwangen ihn die Umstände in ein menschenunwürdiges Dasein. Der Mann wurde durch seine Erkrankung bestraft. Nun wird er nur noch verwaltet. Seine Briefe um Hilfe werden nicht beantwortet, und seine Frage in der Agentur für Arbeit, wie er wieder in ein normales Leben finden kann, wird überhört. Er lebt auf dem Land, und dass er sich nicht vollkommen aufgegeben hat, verdankt er nur dem intakten sozialen Umfeld seiner Nachbarschaft. »Ich habe kein Recht mehr«, zieht er Bilanz, »und bin bloß noch ein Kostenfaktor, der auf jede erdenkliche Art und Weise eingespart werden muss. Ich habe mir meine Krankheit doch nicht ausgesucht! Ich bin doch nicht aus Jux und Dollerei schwerbehindert geworden …!«
Es ist, als rede er nur noch zu sich.
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7. Zuzahlen!
Da sind Sie aber an den Falschen geraten
H err W. holte wie jeden Tag gegen Mittag die Post in die Wohnung. Da der Briefkasten nicht vor lauter Werbesendungen überquellen sollte, hatte er einen entsprechenden Aufkleber am Postkasten angebracht. Außer einem Brief seiner Krankenkasse DAK war heute keine Post eingetroffen. »Vielleicht erhalte ich heute Antwort auf meine Frage nach den dubiosen Zuzahlungen«, sprach er vor sich hin, als er zurück ins Haus ging.
Seine Frau musste aufgrund einer Vorsorgeuntersuchung zur Abklärung geröntgt werden. Mit einem entsprechenden Überweisungsschein bekam sie nach mehreren Wochen Wartezeit einen Termin beim Radiologen. Dort verlangt man nach erfolgter Untersuchung 38 Euro Zuzahlung, da die Krankenkasse das so vorgesehen habe. Die Patientin war seinerzeit von ihrem Ehemann begleitet worden, der sich gegen die Zahlung dieses Betrages wehrte – vor allem, weil sie vor der Röntgenuntersuchung nicht über die Verpflichtung einer Zuzahlung, geschweige denn über die Höhe informiert worden waren. Was ist denn das für ein Gebaren, hatte er sich in der Praxis empört und nur ein Schulterzucken der Arzthelferin dafür geerntet.
Nun ist Herr W. einer der Patienten, denen es ums Prinzipielle geht. »Ich habe es satt, dieses ständige Abkassiertwerden ohne ausreichende Begründung!« Er rief bei der Ärztekammer an. Dort erfuhr er, dass er sich doch mit der Krankenkasse ins Benehmen setzen sollte. Bei der Krankenkasse wiederum wurde ihm lapidar mitgeteilt, es würden Behandlungen mit einer notwendigen medizinischen Begründung immer bezahlt. »Und diese Röntgenuntersuchung war also nicht notwendig?« Hörbares Schulterzucken. Die Telefonate zwischen Arzt, Krankenkasse und Ärztekammer häuften sich. Zur Klärung kam es nicht. Herr W. ließ sich Gesetzestexte, Vereinbarungen und Ausführungsbestimmungen zusenden und vertiefte sich in die komplexe Materie. Er stolperte über Sätze wie »freie Preisgestaltung«, »ausreichende und notwendige medizinische Begründung«. Und er fing an zu überlegen, ob man als Patient vor einem Arztbesuch erst einmal einen Kursus machen soll, wer welche Bestimmungen erlässt, um die Erkrankten vom Arztbesuch abzuhalten.
Es ging Herrn W. überhaupt nicht um die 38 Euro. Es ging ihm um die viel grundsätzlichere Frage, ob wir es als Bürger wirklich hinnehmen dürfen, dass eine Grauzone zwischen öffentlicher Leistung und klammheimlichem Geschäft entsteht, eine Grauzone, in der das Abkassieren immer dreister forciert wird, während die Berechtigung von Forderungen immer geschickter verschleiert wird. Sein Arzt erklärte ihm, dass seine Kasse die Bestimmungen schreibe, nicht er als Arzt. Und nun kam also ein Brief von seiner DAK .
Seine Erwartung, dass nun eine Klärung in Schriftform im Kuvert liege, erfüllte sich nicht. Die Krankenkasse gab sich dafür her, eine Werbung zu versenden, Werbung für eine
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