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Krank in Deutschland. Ein Tatsachenreport

Titel: Krank in Deutschland. Ein Tatsachenreport Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate Hartwig
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Folgeerscheinung nämlich Bluthochdruck auf, zudem bekommt man häufig eine Zuckerkrankheit, die wiederum zu einer erhöhten Rate an Herz-Kreislauf-Erkrankungen führt. An Akromegalie zu erkranken ist jedenfalls kein Spaß.
    Die Folge für den Patienten K.: Mit 50 Jahren musste er sich einer OP unterziehen. Die Ärzte versuchten das Tumorgewebe weitestgehend zu entfernen. Nun war es für die operierenden Ärzte alles andere als einfach, an den Tumor heranzukommen. Konkret mussten sie dem Mann über dem Gehörgang im vorderen Kopfbereich das Ohr abtrennen. Herr K. war sich dessen bewusst. Die Ärzte in der Berliner Charité hatten ihm eine klare Ansage gemacht. Herr K. ging auf Risiko. »Ich hatte mehr Angst davor, dass sie mir den Kopf aufmeißeln«, erzählte er mir, »als davor, dass ich für den Rest meines Lebens das Gehör auf der linken Seite verlieren würde.« Die OP verlief sehr gut, was die Entfernung des Tumorgewebes betrifft. Doch nun ist seine linke Gesichtshälfte gelähmt, und der Mann muss für den Rest seines Lebens mit der Einschränkung leben, auf der linken Seite taub zu sein. Das alles lag auf der Waagschale, und es war bekannt vor der OP . Die Chirurgen hatten es offen mit Herrn K. diskutiert und gemeinsam mit dem Patienten K. entschieden.
    Die Probleme traten erst im Nachhinein auf. Durch die Lockerung der Zähne in Ober- und Unterkiefer wurden ihm ein Jahr nach der Operation gleich 18 Zähne auf einmal entfernt. Über einen Zeitraum von etwa einem Jahr lebte der Mann nun mit einer provisorischen Prothese; danach erfolgte die Anpassung für ein endgültiges Gebiss. Mehrfach hat der Zahnarzt allerdings darauf hingewiesen, dass es aufgrund der Lähmung der linken Gesichtshälfte sowie der Verformung des Unterkiefers wohl nie einen ausreichenden Halt geben werde. In dieser Hinsicht konnte von »endgültig« nur mit Anführungszeichen gesprochen werden. Dieser Umstand nun sollte noch bittere Folgen haben. Sämtliche Maßnahmen mit dem Ziel einer Gebisshaftung scheiterten nämlich. Herr K. hat keine gescheiten Zähne mehr. Zubeißen war einmal.
    Seit nunmehr sechs Jahren versucht Herr K. – er ist aus beruflichen Gründen viel unterwegs – seine Mahlzeiten so auszuwählen, dass sein nicht haftendes Gebiss ihm nicht zum Verhängnis wird. Beißen Sie einmal in eine belegte Semmel mit einem nicht festsitzenden Gebiss! Mag dieser Umstand in einer Satiresendung oder »Verstehen Sie Spaß?« Lachmuskeln aktivieren, im Alltag ist dieses Problem alles andere als lustig. Der zahnärztliche Rat lautete immer wieder: Wir müssen es mit Implantaten versuchen; etwas anderes ist aussichtslos! Implantate werden fest im Kiefer eingesetzt. Ein dementsprechendes Angebot belief sich auf rund 23 000 Euro. »23 000 Euro«, sagt der freiberuflich tätige Mann, der hart um das Nötigste für den Lebensunterhalt kämpft, »wo soll ich die hernehmen, ohne eine Bank zu überfallen?«
    Speziell im Unterkieferbereich war überhaupt kein Halt für die Prothese zu bekommen. Hier konnte nur durch Implantate geholfen werden. Das bestätigte Herrn K. auch eine Zahnärztin, die auch als Gutachterin tätig ist. Mangels eigener finanzieller Voraussetzungen fragte Herr K. nun bei der Krankenkasse um eine Kostenübernahme für eine einfache Implantatversorgung nach. Die Kasse sah das anders. Sie erließ einen Bescheid, wonach die Kosten für eine Suprakonstruktion zwar übernommen würden, für die Implantatversorgung – sie ist die notwendige Voraussetzung dafür – aber nicht. Zwar hat Herr K. über das Bonusheft jahrelang regelmäßige Zahnarztbesuche nachgewiesen, und es stand auch außerhalb jeder Debatte, dass sein Zahnproblem einzig und allein die Folge der Tumorerkrankung war. Dennoch stellte man sich stur. Der Ärztin, die nachhakte, wurde der Bescheid der Barmer Ersatzkasse mit den entsprechenden Paragraphen aus dem SGB V begründet. Der eingelegte Widerspruch, der sich auf eine durchaus auch im SGB V beschriebene Ausnahmesituation bezog, wurde letztendlich vor dem Sozialgericht abgelehnt.
    Das Verfahren vor dem Sozialgericht wurde an einem bestimmten Tag angesetzt. Dieser Tag begann für Herrn K. mit einer scheinbar endlos langen Wartezeit, bis es endlich zum Aufruf seines Falles gegen die Barmer kam. Herr K. verbrachte sie mit dem Lesen des gerichtlichen Aushanges über die angesetzten Verhandlungen. Der Mann staunte, als er zwei Tatsachen miteinander in Verbindung setzte. Die erste Tatsache bestand darin, dass an

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