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Krank in Deutschland. Ein Tatsachenreport

Titel: Krank in Deutschland. Ein Tatsachenreport Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate Hartwig
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diesen vorsätzlich angelegten Sumpf organisierter Verschwendung auszutrocknen. Sie beaufsichtigen Krankenkassen und kassenärztliche Vereinigungen und müssen sich dabei nur eine Frage stellen: Wie viel von den eingesetzten Mitgliedsbeiträgen kommt dort an, wo es hin muss?
    Mir ist völlig klar: Wirtschaftlich effizient arbeitet eine Praxis oder Klinik letztlich nur zu Lasten der Güte der Behandlung. An dieser Ecke geht Sparen nicht. Da muss im Gegenteil mehr Geld rein. Die Millionen verschwinden an ganz anderen Ecken. Eine Gesundheitsreform, die den Namen verdient hat, spart nicht an den Menschen – nicht an den Patienten und nicht an den Ärzten und Pflegern. Sie spart an den von den Bertelsmann-Strategen inszenierten Vorgaben, sie blockt Beraterverträge; sie schickt Gremien in die Wüste; sie setzt Apparatschiks frei; sie zerschlägt wuchernde Behörden und Kontrolleinrichtungen. Sie verabschiedet sich von diesen Tausenden von Blutegeln, die sich am deutschen Gesundheitssystem satt saugen, diesem sekundären und tertiären Quatsch, der sich etablieren konnte, weil die Politik in einem Ausmaß versagt hat, wie es in dieser Republik noch nicht der Fall war. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, ich habe keine Lust, den Unsinn, den Frau Schlette im Auftrag Dritter auf uns lenkt, indirekt zu sponsern.
    »Patienten? Wir reden nur über Geld«, beschreiben leitende Klinikärzte, die nicht bereits zum Manager mutiert sind, ganz offen die Situation. Und in den Praxen erklärt mancher Arzt den Patienten, dass diese oder jene Behandlung die Unkosten seines Kleinunternehmens nicht mehr deckt. Da hat er ja recht. Doch das Grundproblem kaschiert er, wenn er dem Beitragszahler aus existenziellen Überlebensgründen ganz private Zuzahlung abknöpft. Obendrein liefert er jenen die Argumente, die noch mehr Kontrolle fordern.
    Kaiser Permanente wendet die von ihrem Vorstandsmitglied Crosson genannten betriebswirtschaftlichen Regeln ganz systematisch an. Nur Sophia Schlette und ihrem Publikum scheint dies nicht aufgefallen zu sein. Sie sprechen zumindest öffentlich nach wie vor von einem Non-Profit-Unternehmen oder gar einer Stiftung, die offenbar keine Gewinne erzielt, aber ineffiziente Doppeluntersuchungen und Fehlmedikation durch gute Zusammenarbeit der Ärzte, Krankenschwestern und Therapeuten vermeidet, Vorsorge betreibt und Self-care-Management (»Versorge dich selbst«) befördert – zuletzt mit einer 40 Millionen Dollar schweren Werbekampagne.
    Bei Kaiser Permanente in einem ganztägigen Seminar weitergebildet hat sich im Mai 2008 auch eine Delegation des Gesundheitsausschusses des Bundestags. Die Abgeordneten, namentlich Carola Reimann ( SPD ), heute Vorsitzende des Gremiums, oder Annette Widmann-Mauz ( CDU ), jetzt Gesundheitsstaatssekretärin, beeindruckte, was man ihnen an »Integrierter Versorgung« darstellte. Zu den deutschen Klienten der Kaiser-Schulungsprogramme (educational programs) zählt der Konzern auch sonst einen interessanten Kreis: die Uniklinik Heidelberg, die Universität Köln, das Institut für Allgemeinmedizin der Medizinischen Hochschule Hannover, das Medizinische Versorgungszentrum Dachau (Rhön-Klinikum AG ), die Sparte Gesundheitstechnik der Konzerne Siemens und Philips, B-lue Management Consulting, Hamburg – zusammen mit seinem Partner Dx CG Gesundheitsanalytik, Berater vieler großer Krankenkassen –, und, versteht sich, die Bertelsmann Stiftung.
    Gute Kontakte pflegt Kaiser Permanente auch zu anderen Branchengrößen: Das international tätige Unternehmen Fresenius, zu dem die privaten HELIOS Kliniken gehören, hat zusammen mit Kaiser Permanente ein »Konzept für eine Pauschalvergütung medizinischer Leistungen bei Übernahme des vollen Risikos entwickelt«. Eine gemeinsame Firma setzt die Pläne in den USA um – an Dialysepatienten. Dr. Charles Phillips erklärt, warum KP -Ärzte ein beginnendes Nierenversagen nicht diagnostizieren. Sie warten ab, bis das Organ nicht mehr richtig funktioniert. Das staatliche
Medicare
-Programm finanziert jedoch die Blutwäsche mit satten Beträgen, also stürzen sich die Konzerne auf diese Therapie. Sie muss ständig wiederholt werden.

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20. Krankheit als Geschäft
    Der Markt der Möglichkeiten
    D ie Steuererklärung auf dem Bierdeckel, die Kfz-Versicherung als Vorbild zur Finanzierung des Gesundheitssystems: Na klar, das ist es. Einfache Lösungen haben Charme, klingen überzeugend und finden deshalb zahlreiche Anhänger. Also fragt der

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