Krank in Deutschland. Ein Tatsachenreport
Angemessen nennt das die Krankenkasse, schließlich würden 18 Milliarden Euro verwaltet. Kanzlerin Angela Merkel verdient etwa gleich viel, der Staatsetat umfasst allerdings 327,7 Milliarden Euro.
Ähnlich üppig statten sich die Kassenarztfunktionäre aus, obwohl ihre kassenärztlichen Vereinigungen ( KV ) ebenfalls als Körperschaft des öffentlichen Rechts als Treuhänder fungieren und das zugeteilte Geld der Kassen an ihre niedergelassenen Kollegen verteilen sollen. In den Aufsichtsgremien beider in staatlichem Auftrag handelnden Institutionen sitzen einmal Vertreter der Arbeitgeber wie der Gewerkschaften oder der Kassenärzte. Warum gebieten sie diesem munteren Selbstbedienungsladen nicht Einhalt? Und wenn sie schon seit Jahren kläglich Pflichten verletzen, müssten die Gesundheitsminister von Bund und Ländern ihre Aufsichtspflicht wahrnehmen. Doch man kennt sich und schweigt. So kann man aber in öffentlichen Ämtern nicht unbehelligt mit Zwangsbeiträgen umgehen! Erbärmlich versagt hat diese Selbstverwaltung der Ärzte, die von ihnen mit 2,5 Prozent des Praxisumsatzes finanziert wird, beim Verteilen der Geldmittel. 15 Prozent ist den Krankenkassen noch die ambulante Versorgung wert, obwohl dort rund neun von zehn Arztkontakten stattfinden. Seit mehr als einem Jahrzehnt will sie durchsetzen, dass die sprechende Medizin, das Gespräch mit dem Kranken, aufgewertet wird. Inzwischen sagen selbst niedergelassene Psychiater, dass ihnen die Zeit fehlt, zwischen Erkrankungen und Befindlichkeitsstörungen zu unterscheiden.
Sponsoringbericht des BMI – Rätsel über Rätsel: Warum wurde das E-Card-Projekt vom Gesundheitsministerium so vehement vorangetrieben? Aus dem Sponsoringbericht des Bundesinnenministeriums vom 4. 5. 2007: »Insgesamt wurde eine Gesamtsumme von 80 391 574 Euro geleistet. Davon entfallen 75 820 665 Euro auf 716 Leistungen, deren Wert im Einzelfall 5000 Euro oder mehr betrugen. Die nachträgliche Zustimmung zur Namensnennung im Sponsoringbericht wurde in 19 Fällen (ohne BKN ) verweigert, in einem Fall erfolgte trotz mehrfacher Nachfrage keine Rückmeldung.« Das Bundesministerium für Gesundheit hat insgesamt Leistungen in Höhe von 49 737 154 Euro erhalten. Die Summe der 22 Einzelleistungen ab 5000 Euro beläuft sich auf 49 720 922 Euro. Alle Kleinleistungen betragen zusammen 16 232 Euro. Die Leistungen wurden in erster Linie für Maßnahmen zur Gesundheitsprävention verwandt. ( II S 49–53). Hauptnutznießer ist mit 49,7 Millionen Euro erneut das Bundesgesundheitsministerium ( BMG ), das die Leistungen in erster Linie für Maßnahmen der Gesundheitsprävention verwandt hat. Es handelt sich um Projekte, die ansonsten nicht oder nur in geringem Umfang hätten verwirklicht werden können. http://www.bmi.bund.de
Enorm aufgebläht hat sich die Gesundheitsbürokratie. Die Krankenkassen beschäftigen mehr als 140 000 Mitarbeiter. Ihre Verwaltungsausgaben belaufen sich offiziell auf über acht Milliarden Euro. Jeder Kassenverband unterhält ein eigenes wissenschaftliches Institut oder beauftragt Externe mit Untersuchungen. Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung bedarf solch eines Kompetenzzentrums, damit sie nach eigenen Angaben auf Augenhöhe mit den Kassen um Ausgaben und Vergütungssätze feilschen kann. Um beim Aushandeln der verkorksten Honorarreform noch halbwegs mithalten zu können, hat sich auch der neutrale Vorsitzende des zuständigen »Bewertungsausschusses«, Professor Jürgen Wasem, ein Extra-Institut zugelegt. Eine der Glanzleistungen seiner Experten: Sie behaupten, dass jede Arztpraxis von Schwerin bis München etwa die gleichen Nebenkosten (Miete usw.) zu tragen habe. Nach dem Beweis fragt niemand. Mehr als geschätzte 250 Millionen Euro geben die Kassen für Werbe- und Aufklärungsmaßnahmen aus – vom 200-Euro-Zuschuss für Wellness-Wochenenden im Luxushotel bis hin zur Finanzierung von Freizeitaktivitäten – und gewähren außerdem Rabatte für Freizeitmessen und Sehenswürdigkeiten. In sogenannten Disease-Management-Programmen ( DMP ) glauben Kassen, über von ihnen finanzierte Call-Center einen besseren Kontakt zu chronisch Kranken pflegen zu können als Hausärzte und ihre oft speziell für solche Erkrankungen geschulten Arzthelferinnen. Die Kassenmitglieder bezahlen dies alles – ungefragt und bisher im Wortsinn klaglos.
Massive Gefahr droht der Autonomie ärztlicher Entscheidungen aber auch über den politisch initiierten Kosten-Nutzen-Wettbewerb, der nicht
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