Kraut und Rübchen - Landkrimi
am Fluss. Sie saß am Ufer, versteckt im hohen Schilf, ihre Haare so silbern wie die Blätter der Weiden, die sich hinter uns mit dem Wind des Wassers bogen. Sie tat nichts. Wusch keine Wäsche, schöpfte kein Wasser.
»Bald kannst du dein Kind in den Armen halten.« Ich bog die letzten Zweige auseinander und trat aus der Böschung. Angerl rührte sich nicht, wandte sich nicht zu mir um.
Ich ging zu ihr. Sie starrte mit trockenen Augen auf den Fluss. In der Hand hielt sie eine Pflanze, ihre Finger spielten achtlos damit, als ob sie das Grün ohne hinzusehen gepflückt hätte und später einfach liegen lassen würde. Filigrane Blätter an einem fingerdicken Stiel, weiße Blütendolden. Ein Geruch nach Mäusedreck und Pastinaken stand in der Luft. Ich setzte mich zu ihr.
»Warum willst du das tun, Angerl?« Ich flüsterte die Frage in den Fluss. Die junge Frau neben mir atmete gleichmäßig und ruhig, und ich fragte mich, ob sie schon von der Pflanze gegessen hatte.
»Gregor weiß, dass das Kind unter meinem Herzen nicht seins ist.« Sie sprach, ohne mich anzusehen, den Blick auf das Wasser gerichtet. Starr und steif, als ob sie dort den einzigen Halt finden würde, der ihr noch geblieben war.
»Hast du es ihm gesagt?«
»Nein.«
»Woher?«, wollte ich wissen. Eine Menge Kinder wurden vor der Zeit geboren, und nur der wissende Blick erkannte, ob der Ehemann auch der Vater war oder zum Vater wurde, indem er in den Stand der Ehe trat.
»Er hat nicht …« Sie unterbrach sich und schwieg. Vom Hals her stieg die Röte in ihr Gesicht, und sie fasste sich an die Kehle. Ich wartete geduldig. »Er weiß, dass er nicht der Vater des Kindes sein kann, weil er nicht mit mir geschlafen hat.«
»Hast du dich ihm verweigert?«
»Nein.« Zum ersten Mal, seit wir miteinander sprachen, sah sie mich direkt an. Ihre blauen Augen hatten jedes Strahlen verloren. »Nein. Ich hätte ihm jeden Teil meines Körpers gegeben, den ich auch Jakob gab. Es ist sein Recht. Ich darf es ihm nicht verwehren, auch wenn ich es gerne täte.«
»Warum dann?«
»Er hat kein Interesse an mir. Zuerst war er freundlich in dem Maße, wie ich es von einem Ehemann erwarten darf. Aber er ist nicht zu mir gekommen. Weder am ersten Tag noch an denen danach.«
»Ist er ein Männermann?« Es gab solche Männer, die nur ihresgleichen lieben und sich keiner Frau nähern konnten. Aber sie hielten sich im Verborgenen und ließen es keinen wissen, weil es gegen das Gesetz verstieß und in den Augen vieler Menschen gegen Gottes Gebot. »Aber dann wären du und dein Kind doch ein Glück für ihn. Jeder wird denken, es wäre seines.«
»Nein. So ist es nicht.« Sie hob die Pflanze hoch, brach einzelne Blätter und die Dolden ab und sammelte sie in ihrem Rockschoß.
»Du tötest auch dein Kind, wenn du den Schierling nimmst.«
»Ich töte es nicht. Ich schütze es. Vor ihm. Ich will nicht, dass er seine Hände an mein Kind legt, wie er es mit dem Sohn unserer Magd gemacht hat.« Sie wischte mit der Hand ihre Tränen fort. »Ich habe gesehen, wie Gregor ihn ins Heu gedrückt hat. Er ist noch keine zehn Jahre alt.«
»Du hast ihn nicht aufgehalten?« Entsetzen kroch in mir hoch, und Mitleid mit dem armen Jungen.
»Was hätte ich tun sollen? Er ist der Bauer. Er ist mein Ehemann. Alles, was er tut, fällt auch auf mich zurück. Er hat die Macht.« Sie richtete sich auf. »Ich habe der Magd gesagt, sie solle ihr Kind fortschicken, zu einer Amme oder Zieheltern, wie es auf den anderen Gehöften üblich ist. Unser Hof ist der einzige, auf dem das Gesinde seine Kinder bei sich behalten darf. Jetzt kenne ich den Grund. Ich habe auch die anderen weggeschickt, damit er keines mehr in seine Finger bekommt.« Sie strich mit der flachen Hand über ihren Bauch. »Aber dieses hier, mein Kind, Jakobs Kind, kann ich nicht wegschicken. Ich kann es ihm allerdings auch nicht schutzlos ausliefern. Und schon gar nicht kann ich etwas gegen ihn tun. Ich bin zu schwach.« Sie hob die abgebrochenen Pflanzenteile. Der Pastinakengestank wurde unerträglich. »Das hier ist der einzige Weg für mich und mein Kind.«
»Nein, Angerl. Das ist es nicht.« Ich griff in ihren Schoß und sammelte die Stücke des Schierlings auf. »Nicht du musst sterben.«
Der Schwindel in meinem Kopf hatte aufgehört. Dafür schlug jetzt mein Herz, als ob ich einen Halbmarathon in persönlicher Bestzeit bewältigt hätte. »Nicht du musst sterben.« Das war eindeutig.
Ich setzte mich und stand dann langsam
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