Kreativ fotografieren
Unterschied mag Ihnen marginal erscheinen, doch für mein Gefühl eröffnet ›optimal‹ einen Spielraum, der in ›korrekt‹ nicht enthalten ist. Das mag Wortklauberei sein. Wichtig ist, dass es bei vielen Aufnahmen im subjektiven Ermessen des Fotografen liegt, was er für optimal erachtet.
Überbelichtung kann auch richtig sein
Wie Abbildung 4.3 auf Seite 129 zeigt, gibt es Motive, in denen sowohl Unter- als auch Überbelichtung vorkommen. Obwohl man in der Regel versucht beides nach Möglichkeit zu vermeiden, gibt es viele Situationen, in denen es nicht möglich ist, sowohl das eine als auch das andere zu verhindern. Motive, in denen der Unterschied zwischen hellstem Licht und dunkelstem Schatten zu groß ist, um ihn mit einer einzigen Belichtung einzufangen, verlangen vom Fotografen zu entscheiden, was zum besten Ergebnis führt: das eine, das andere oder beides zu aktzeptieren.
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Unter- und Überbelichtung
Der Technik sind diesbezüglich Grenzen gesetzt. Und selbst wenn es möglich wäre den immensen Kontrast zwischen Sonnenlicht und stockdunkler Nacht in Einem einzufangen, wären unsere Augen nicht in der Lage das zu sehen. Sie wissen ja, wie es ist, wenn Sie aus tiefer Dunkelheit ins gleißende Licht treten.
Innenraumbilder mit Fenstern zum Tageslicht sind ein Beispiel für Motive, bei denen das Problem eines zu großen Kontrasts zwischen Licht und Schatten so gut wie immer auftritt. 1 Möchte man Interieur, Personen und Dinge im Raum optimal belichten, muss man damit leben, dass die Fenster zum Licht in der Aufnahme zu überbelichteten, weißen Flächen werden (Abb. 4.9).
Umgekehrt gilt das natürlich ebenso für Unterbelichtung. Die Störche auf der Straßenlaterne (Abb. 4.11) habe ich gegen den Abendhimmel in Richtung der untergegangenen Sonne fotografiert. Das Bild ist also eine Gegenlichtaufnahme, auch wenn keine Lichtquelle im Bild ist. Hätte ich hier an der Kamera keine massive Unterbelichtung eingestellt, wäre der Himmel flau statt blau.
Der Reiz von Abbildung 4.10 entsteht vor allem dadurch, dass das Bild fast nur aus überbelichteten und unterbelichteten Bereichen besteht. Das Resultat vermittelt eine beinahe grafische Anmutung.
Messtechnisch betrachtet sind alle drei Aufnahmen der gegenüberliegenden Seite fehlerhaft. Doch messbare Korrektheit und ästhetische Anmutung sind oft nicht dasselbe. Die Kreativität und das Können des Fotografen sind gefordert aus jeder Situation das heraus zu holen, was aus einem interessanten Motiv ein ansprechendes Foto macht.
1 ›Durchschnittlich‹ auf die Lichtsituation bezogen, nicht auf das Motiv.
1 So lange nicht mit kräftigen Blitzen nachgeholfen wird.
Grundlegende Eigenschaften von Licht und Farbe
Ohne Licht und ohne Schatten geht in der Fotografie gar nichts. Oder, um es mit anderen den Worten zu sagen: »Wir fotografieren keine Objekte, wir fotografieren Licht«. Nicht umsonst spricht man auch vom ›Ablichten‹. Unter ungünstigen Lichtverhältnissen kann man auch mit den interessantesten Motiven keine wirklich schönen Fotos erzielen. Umgekehrt kann jedoch ein besonderes Licht aus alltäglichen Objekten reizende Vorlagen machen. So habe ich Abbildung 4.13 ausschließlich wegen des weichen Lichtstreifens aufgenommen, der den profanen Objekten Stimmung verleiht.
Da Licht für den Fotografen von so elementarer Bedeutung ist, sollten wir ein paar Details heraus greifen und genauer unter die Lupe nehmen.
Abb. 4.9 | Überbelichtete Lichter in den Fenstern
Abb. 4.10 | Unter- und überbelichtet
Abb. 4.11 | Unterbelichtet
Abb. 4.12 | Zu hartes Licht
Abb. 4.13 | Der Reiz des Lichts
Hartes Licht | Strahlt Licht zu kräftig und einseitig auf ein Motiv, entsteht das Problem, dass auf der Aufnahme helle überbelichtete Bereiche und dunkle unterbelichtete Bereiche harte Kontraste und oft scheinbar wirre Muster bilden (Abb. 4.12). Das ist der Grund, weshalb man vor allem am Nachmittag, bei wolkenlosem Himmel und direkter Sonneneinstrahlung, im Freien kaum brauchbare Fotos zustande bringt: Das Licht ist zu hart.
Weiches Licht | Bei zu dichter, gleichmäßiger Bewölkung hingegen strahlt das Licht nicht mehr von einem Punkt (der Sonne) aus einer Richtung, sondern kommt gestreut und gleichmäßig aus allen Richtungen. Das führt dazu, dass kaum mehr ausgeprägte Schatten zu sehen sind. Ohne Schatten jedoch geht die Plastizität der Objekte verloren. Das
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