Kreuzberg
Anlageberater, sondern
ein Investmentmanager, der dort unten eine Yacht liegen hat. Da hockt sie jetzt
kotzend über der Reling und will wieder nach Hause. Uschi war noch nie
besonders seefest.«
»Pech für
sie, denn du hast ja jetzt Catherine.«
»Genau«,
sagt Hünerbein stolz, »eine Diplom-Astrologin sozusagen, und die hat mir mal
die Sternenkonstellationen unserer Beteiligten wie auch des Opfers
ausgedruckt.« Er beginnt Papiere mit kryptischen geometrisch anmutenden
Kreisbildern an die Pinnwand zu pappen. »Wir haben hier die Tierkreiszeichen
des Blumenhändlers und seiner Frau und das von Swantje Steffens. Soweit
möglich, wurden die genauen Geburtsorte und -zeiten berücksichtigt, sodass sich
ein klareres Bild vom Grad der Ekliptik ergibt. Wenn man nun die einzelnen
Tierkreiszeichen unter Einbeziehung der Radix in Konjunktion zu anderen
Planeten sowie des Mondes betrachtet, ergibt sich ein verblüffendes
Bild …«
»Danke«,
sage ich und strebe zur Tür, »das ist zu verblüffend für mein angeschlagenes
Hirn.«
»Knoop, nun
warten Sie doch«, ruft Palitzsch, »das könnte interessant werden!«
»Wollen Sie
etwa unseren Fall mit Hilfe der Astrologie lösen?« Ich fasse es nicht. Wo der
Chef sonst immer so auf Fakten steht. »Das ist absurd!«
»Absurd ist
Hundescheiße«, knurrt Hünerbein, »immerhin habe ich bereits zehn Kilo
abgenommen. Und was als Diät funktioniert, kann auch bei kriminalistischen
Ermittlungen helfen.«
»Einen
Versuch ist es wert«, findet auch Beylich.
Ausgerechnet
ein ehemaliger Major der Volkspolizei interessiert sich plötzlich für
Astrologie. Es ist zum Haareraufen.
»Wir haben
das gestern Abend schon mal durchgespielt«, sagt er in seinem knappen
Kommisston. »Die Sternenkonstellationen aller Beteiligten deuten auf neue
Möglichkeiten hin.«
»Da ist
Rache im Spiel«, schwärmt Hünerbein, »persönliche Verletzungen, Liebe und Hass.
Das ganz große Gefühl.«
Um Gottes
willen, denke ich nur und suche rasch das Weite. Die sind ja alle verrückt
geworden.
Ein Mädchen
ist entführt worden und bangt um sein Leben. Eine Frau ist tot.
Und die
spielen hier Horoskop.
Ohne mich!
17 SONNTAGE SIND
SCHWIERIGE TAGE für
Ermittler. Echte Freitage. Alle Ämter haben geschlossen. Selbst der gestern
noch so kooperative Wachmann der Steuerbehörde weist mich heute hartnäckig ab.
Sicher hat er mächtig Ärger bekommen. Beamte verstehen keinen Spaß, wenn man
sie aus dem Wochenende holt.
Die
Markthalle hat zu, und der Tavla-Spieler im türkischen Teehaus freut sich, mich
zu sehen, will aber nur spielen. Neuigkeiten hat er nicht.
Etwas
ziellos irre ich durch den Kreuzberger Kiez, in der Hoffnung, trotzdem etwas
über den Blumenhändler, seine entführte Tochter oder die getötete Swantje
Steffens herauszubekommen.
Ich habe
Damaschkes Baseballcap gegen einen alten Filzhut getauscht. So traue ich mich
trotz Tonsur durch die Stadt und sehe aus wie Sam Shepard als »Homo Faber«.
Volker Schlöndorff hat den Roman von Max Frisch auf die Leinwand gebracht, und
es ist, wie ich finde, eine der wenigen guten Literaturverfilmungen geworden.
Um mich
herum viele Sonntagsspaziergänger, Familien mit Kindern und junge Leute. In der
Bergmannstraße reiht sich ein Straßencafé an das nächste, und überall ist Musik
zu hören:
»La Da Dee
Lalelah, La Da Dee Lalelah …« Crystal Waters Song »Gypsy Woman« scheint
ein Superhit zu sein, denn er ist aus jeder zweiten Kneipe zu hören. Überall
kann man bis sechzehn Uhr frühstücken; wer es deftiger mag, holt sich an den
vielen Imbissbuden was. Es riecht nach Börek, Falafel und Döner Kebab und, wenn
ich an einem indischen Restaurant vorbeikomme, sehr intensiv nach Currysaucen.
Die Trödler
haben trotz des Sonntags ihre »Antiquitätenläden« geöffnet. Eine sehr üppige
Schwarzafrikanerin preist mit lauter, akzentuierter Opernsängerinnenstimme ihre
bunten selbst gewebten Stoffe und Tücher an.
»Das sehrr
gut für die feine Mann, starke Farbe lockt Frau wie eine geile Taube: Gurrr,
gurrr!«
Im
»Strange«, einem Karaokeschuppen für Heavy-Metal-Fans, versuchen sich ein paar
japanische Touristen am Guns-N’-Roses-Titel »You Could Be Mine« – es
klingt erbärmlich.
Ich biege
in die Nostitzstraße ein. Die aufgebrochene Wohnungstür von Swantje Steffens
ist notdürftig per Vorhängeschloss gesichert und versiegelt worden, aber ich
habe einen Schlüssel. Vorsichtig öffne ich das Siegel und dann die Tür. Ich
will mich hier
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