Kreuzberg
lauernd aus seinen kleinen Schweinsaugen an. »In Ihren
Kreisen jedenfalls. Haben Sie irgendeinen Verdacht?«
Schmitt-Visselbeck
seufzt nachdenklich. Dann schüttelt er den Kopf. »Das ist Ihr Job, meine
Herren! Jetzt sind Sie dran.«
Offensichtlich
will er das Treffen auflösen, doch ich halte ihn zurück.
»Moment
noch, Herr Visselbeck! Bevor wir hier gehen dürfen, hätte ich noch was.«
»Schießen
Sie los!«
»Gestern
hat der Verfassungsschutz in unserer Dienststelle Akten zum Mordfall Swantje
Steffens beschlagnahmt. Die hätten wir gern zurück.«
»Ach.«
Schmitt-Visselbeck lächelt schmallippig. »Und Sie meinen, wir könnten das
regeln?«
»Sie werden
das regeln müssen«, erwidere ich knapp, »wenn wir für Sie tätig werden sollen.«
»Wieso? Hat
dieser Steffens-Fall mit unserer Sache zu tun?«
»Es taucht
zumindest dieselbe Waffe auf. Browning.«
»Sind Sie
sicher«, unterbricht er mich, plötzlich wie elektrisiert, »ganz sicher?«
Ganz sicher
bin ich mir natürlich nicht. Es gibt viele Brownings auf dieser Welt, faktisch
kann ich mir demnach überhaupt nicht sicher sein. Aber das muss dieser
Schmitt-Visselbeck ja nicht wissen. Ich will einfach nur meinen Fall aufklären,
und dazu brauche ich die Akten.
»Hundertprozentig
sicher«, sage ich ihm. »Es existiert sogar ein Phantombild von dem Killer.«
»Wo?«
»Das kann
ich Ihnen leider nicht sagen, Herr Visselbeck. Ermittlungstaktische Gründe.«
»Verstehe.«
Er greift sich nervös ans Kinn.
»Besorgen
Sie uns die Akten, und wir lösen den Fall.« Ich wende mich zum Gehen. »Wo
bekommen wir noch mal unsere Ausweise und Waffen zurück?«
»Kripps!
Zeigen Sie’s ihnen.«
Wir folgen
ihm hinaus und lassen einen sehr nachdenklichen Schmitt-Visselbeck zurück.
35 NAUMANN HATTE
MEYER in einer
kleinen Laube am Priesterweg untergebracht, einer riesigen Kleingartenkolonie
in der Einflugschneise des Tempelhofer Flughafens. Hier war er sicherer als im
Knast, denn natürlich würden die Sowjets den Tod ihres Fahrers und der beiden
Agenten mit Meyer in Verbindung bringen. Es war nicht schwer, in einem
Gefängnis einen Killer anzuheuern.
Die
Nichtrückkehr aus dem Freigang galt natürlich als Flucht – ein
juristisches Problem, was nach Ansicht von Naumann zu vernachlässigen war, ging
es doch jetzt erst mal um die Rettung von Mischa.
Trotzdem
machte sich Meyer Sorgen um seine Zukunft. Vermutlich hatten ihn die deutschen
Strafverfolger längst zur Fahndung ausgeschrieben, und die Russen waren
bestimmt auch auf der Suche nach ihm. Jetzt ging es ums blanke Überleben. Mehr
denn je war Meyer von Naumann abhängig, einem Typen, der durchaus zu allem
fähig war, wie er ja eindrucksvoll bewiesen hatte. Erst glühender Verfechter
des Staatsstreiches in Moskau, der den Russen alle Wege ebnen wollte, jetzt
deren gnadenloser Gegner. Und diesen Gesinnungswechsel hatte nur der Hilferuf
des alten HVA -Chefs bewirkt. Unheimlich, fand Meyer das. Naumann war
unberechenbar geworden. Und ein echt fanatischer Hund, zumindest was seine
Loyalität zu Mischa Wolf anging.
Sie waren
übereingekommen, den ehemaligen HVA -Chef über die
österreichische Botschaft in Moskau herauszuholen. Nach Wien hatte Meyer noch
aus seiner aktiven Zeit beim M f S gute Kontakte in höchste politische
Ämter. Und nach dem Zusammenbruch waren es vor allem die Genossen in Österreich
gewesen, die ihm dabei halfen, DDR -Devisen außer Landes zu
bringen. Verurteilt worden war er nur wegen kleinerer Geschäfte in Berlin. Der
weitaus größere Teil seiner Transaktionen war unbemerkt über die Rote Fini nach Wien geflossen, auf die Konten der österreichischen NOVUM GmbH.
Das war die Kriegskasse für den politischen Kampf im Untergrund. Der Plan war,
mit dem Geld wichtige Leute zu schmieren, gefügig, wenn nicht sogar abhängig zu
machen. Mit Geld ließ sich alles regeln. Menschen konnte man kaufen, Ämter und
Entscheidungen. Parteispenden zum Beispiel waren auch ein probates Mittel für
gewisse Gegenleistungen. Doch jetzt ging es erst mal um Mischa, und da war Fini
gefordert. Nur sie konnte wissen, wen man in Wien bestechen musste, um für
einen ehemaligen Stasigeneral in Österreich politisches Asyl zu bekommen.
Und weiter?
Wohin sollte Meyer fliehen? Das Problem war, dass er nicht wusste, was mit
Deckname Cordula geschehen war. Sie war tot. Umgebracht wahrscheinlich vom KGB .
War sie vorher gefoltert worden? Hatte sie Genossen verraten? Ihre Verbindungen
zum Untergrund oder dem
Weitere Kostenlose Bücher