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Kreuzweg der Zeit

Kreuzweg der Zeit

Titel: Kreuzweg der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andre Norton
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Gras.
    Das Feuer wärmte seinen halberfrorenen Körper. Blake spürte, daß in seinem linken Arm ein gewisses Gefühl wiederkehrte, als die Wärme des Feuers zu wirken begann.
    Die Turmruinen, von denen er mindestens zwanzig von seinem Standort aus sehen konnte, schienen nach keinem Plan errichtet worden zu sein. Und außer den Türmen waren keine Bauten zu sehen. Türme, die nur von oben her zu betreten waren, die nicht einmal Fensterschlitze besaßen. Das alles deutete auf Verteidigungsanlagen hin – eine offenbar notwendige und sehr wirkungsvolle Verteidigungsmaßnahme.
    Ein Volk, das von einem Feind so hart bedrängt wurde, daß es in ständigem Belagerungszustand gelebt hatte – ein Volk, das diesem Feind vor langer Zeit zum Opfer gefallen war.
    Und der Feind? Hatten sich die Invasoren oder Belagerer nach dem Sieg zurückgezogen, zufrieden mit der totalen Vernichtung der Besiegten? Er sah kein Anzeichen, das auf den Versuch eines Wiederaufbaues hingewiesen hätte.
    Blake leckte abermals Schnee aus der hohlen Hand. Die Wildnis hatte die Verteidigungsanlagen wieder in ihren Besitz genommen. Überall sah er Hasen und Vögel. Er war zwar nie auf die Jagd gegangen, aber er besaß Feuer und ein Messer. Er wühlte mit dem Fuß im gefrorenen Schutt und suchte sich ein paar Steine heraus, die gut in der Hand lagen. Damit würde er schon etwas treffen.
    Er wollte ein Stück Holz ins Feuer werfen und hielt plötzlich inne. Über ihm heulte der Wind mit gesteigerter Wucht. Aber Blake hörte nichts und sah nichts – außer dem Ding, das jetzt durchs Gebüsch gekrochen kam und in dessen Augen sich der Feuerschein spiegelte.

8

    Ein Drache, ein lebendig gewordener Alptraum kam dahergekrochen. Über zwei Meter lang, gegliedert, mit knollenartigem Schädel, der über ein Drittel der Länge des vielfüßigen Leibes einnahm.
    Blake wich Schritt um Schritt zurück, während das Wesen ebenso vorsichtig vorwärtskroch. Er konnte nicht entscheiden, ob es vom Feuer angezogen wurde, oder ob er selbst der Köder war.
    Er preßte die Schultern gegen die Turmmauer und spürte, wie ihn der Schmerz durch Rücken und verletzten Arm fuhr. Und dieser Schmerz brach den Bann. Er zog den Dolch, während das Unding vor dem Feuer halbzusammengekauert anhielt und stumpf in die Flammen starrte.
    Blake holte tief Atem. Jedes einzelne Segment des silbergrauen Leibes war gepanzert. Das Monstrum hatte bis jetzt für ihn noch keinerlei Interesse gezeigt, noch hätte er behaupten können, daß er sich gefährdet fühlte. Wenn es blieb, wo es war – vom Feuer gebannt –, konnte es ihm vielleicht doch glücken, zur Plattform zu entkommen.
    Der runde Schädel des Wesens drehte sich und erweckte den Eindruck intensiven Lauschens. Blake konnte jedoch außer dem allgegenwärtigen Pfeifen des Windes nichts hören. Doch dann meldete sich sein Vorwarngefühl. Die Ankunft des Wurmes war ihm nicht angekündigt worden, aber jetzt ...
    Es war zu spät, mit dem gelähmten Arm die Mauer hinauf zu klettern. Der Wurm hätte ihn mit Leichtigkeit herunterzerren können. Das Lebewesen bewegte sich um das Feuer herum. Unter einem seiner Füße kam ein Stein ins Rollen, und das Tier rutschte zur Seite. Es gab einen metallischen Klang, als das Ungetüm gegen einen großen Steinblock stieß. Metall!
    Der Wurm kroch um den Steinblock und befand sich nun vor Blake. Aus dem großen Schädel starrten ihn die runden roten Augen ausdruckslos und ohne Leben an. Die Augen waren wie Glasscheiben.
    Glas ...
    Blake hatte sich so auf den Wurm konzentriert, daß er die Gestalt nicht bemerkte, die sich lautlos aus derselben Richtung genähert hatte. Erst der üble Geruch, der sie wie eine Aura umgab, bewirkte, daß er den Kopf hob. Zuerst ein Drachenwurm und jetzt – ein menschliches Wesen.
    Verfilzte Haarsträhnen bedeckten eine Haut, die vielleicht früher einmal weißer als seine eigene gewesen sein mochte, jetzt aber mit Schmutzkrusten so verklebt war, daß sie einen dunkelgrauen Ton angenommen hatte. Das Ding war nicht ganz menschlich, doch konnte er es nicht richtig einordnen. Es war jedenfalls kein Tier. Denn um seine Mitte hing eine Art Lendenschurz aus hellen Häuten, die in Fetzen von einem Gürtel herabbaumelten. Seine Haltung war gebückt. Haarsträhnen hingen in das ausdruckslose, grauenhaft häßliche Gesicht. Und das Schlimmste war – es war eindeutig weiblich!
    Der Wurm machte keine Bewegung und nahm auch das Kommen des anderen Wesens nicht zur Kenntnis. Er behielt seine

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