Krieg auf dem Mond
des VBJM beherbergte.
Ich hinterließ Nachricht für Joel und ließ mir eins der zwei mal drei Meter großen Schlafabteile zuweisen; dann warf ich mich auf mein spartanisches Lager, um zu warten.
Stunden vergingen, und ich schlief einen unruhigen Schlaf, aus dem ich wieder und wieder von Schritten, Stimmen, Riegelgeklapper und anderen Geräuschen geweckt wurde. Ich war nicht hungrig; der Gedanke an Essen verursachte Übelkeit. In meinem Mund war ein Geschmack wie von alten Turnschuhen.
Ich rasierte mich und starrte in ein grimmiges, hohlwangiges Gesicht. Die Narben der plastischen Chirurgie waren jetzt dünne helle Linien, aber die verkürzte Nase, der vorgezogene Haaransatz und der Bürstenschnitt meiner blaßblonden Haare kamen mir noch immer so unnatürlich vor wie eine Fastnachtsmaske.
Mehrmals versuchte ich zu berechnen, wie lange es noch dauern mochte, bis Joel aufkreuzte. Die Arithmetik führte jedesmal zur gleichen Antwort: er hätte eine oder zwei Stunden nach mir eintreffen müssen.
Ich ging auf den Korridor und erkundigte mich beim Empfang. Nichts. Neun Stunden saß ich nun schon in meinem engen Abteil; wenn er in einer weiteren Stunde noch nicht auftauchte, würde ich ohne ihn weitermachen müssen.
Die zehnte Stunde kam und ging. Ich erhob mich ächzend. Die Schmerzen begannen den Panzer aus Drogen zu durchlöchern. Es war höchste Zeit, daß ich etwas unternahm, Joel oder kein Joel. Ich hatte mir einen Plan ausgedacht – keine großartige Sache, aber das Beste, was ich allein tun konnte.
Ich zog mich an und ging hinunter in die weitläufige Halle. Sie war so freundlich wie eine Gaskammer. Ein paar hundert junge Asylgäste lungerten in Gruppen herum oder hingen in zerschlissenen Sesseln, die Inseln gleich im Meer des lehmgelben Plastikbelags schwammen. Ich ging an den Informationsschalter, stellte mich in die Reihe der Auskunftheischenden – und sah Joel mit von sich gestreckten Beinen in einem Sessel liegen, wie ein zerschlagener Boxer zwischen den Runden, Augen geschlossen, Mund offen, ein blaues Halstuch wie eine Galgenschlinge um den dicken Hals geknotet.
Ich fühlte, wie meine gespannten Gesichtsmuskeln sich in einem breiten Grinsen lösten. Ich ging zu ihm, schüttelte ihn sanft, dann ein bißchen derber. Er machte die Augen auf. Zuerst schaute er mich leer an, dann ging ein frohes Lächeln über seine Züge.
»He, Jones«, sagte er, sich aufrappelnd. »Mensch, du hättest den Zug sehen sollen, mit dem ich gefahren bin! Alles ganz vornehm, und da war diese nette Dame …« Er erzählte mir alles darüber, während wir uns grinsend die Hände schüttelten. Plötzlich war alles gut. Das Glück war immer noch mit mir. Die Dämonen hatten alles mögliche versucht, aber ich war hier, immer noch am Leben – und ich war nicht allein. Etwas wie Frühling kehrte in mich ein, und ich verspürte zum erstenmal seit Tagen etwas wie Appetit.
*
Das britische Konsulat, auf Pfählen am Ufer des Michigansees errichtet, war ein verwitterter Block aus Steinfiligran, ein pompös-abschreckendes Schaustück jenes sterilisierten Hindustils, wie er in den neunziger Jahren populär war. Hinter dem Sandsteingrill des breiten Eingangs und in den Obergeschossen brannte Licht.
Wir gingen einmal vorbei, drehten um, kamen zurück und erstiegen die niedrigen, breiten Stufen, vorbei an einem Springbrunnen, dessen Wasser, von einem purpurnen Punktlicht angestrahlt, wie gefärbte Limonade sprudelte.
Ein Marinesoldat im traditionellen Blau und mit drei Ärmelstreifen sah uns durch die Glastür, stand hinter seinem Schreibtisch auf und kam über den Marmorboden der Eingangshalle zum Tor. Seine linke Hand lag am Knauf eines zeremoniellen Säbels.
»Das Konsulat öffnet um zehn Uhr früh«, sagte er höflich.
»Mein Name ist Jones«, sagte ich. »Ich komme vom Schatzamt. Ich muß den diensttuenden Beamten sprechen – jetzt. Die Sache ist eilig. Ich kann nicht bis morgen warten.«
»Können Sie sich ausweisen, Sir?« fragte der Marinesoldat.
Ich zeigte ihm den Ausweis. Er besah ihn, nickte und reichte ihn zurück. Dann öffnete er die Tür ganz und ließ uns eintreten.
»Wo finde ich den diensttuenden Beamten?« fragte ich.
»Das ist heute abend Mr. Phipps. Er hat ein Büro in der ersten Etage. Dort ist er jetzt.« Sein Gesichtsausdruck machte deutlich, daß er die Anwesenheit des Mr. Phipps mit gemischten Gefühlen quittierte. »Ich werde ihn verständigen«, fügte er hinzu. »Bitte warten Sie hier.«
Ich
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