Krieg der Seelen: Roman (German Edition)
Fernseher stand darauf, und zwischen ihnen formte das zur Steckdose in der Wand führende Stromkabel ein langes S. Ein Fenster mit halb geöffneten Jalousien führte in einen mit weißen Kacheln verkleideten Lichtschacht. Die Kacheln waren schmutzig, und der Schacht ließ nur wenig Licht herein. Eine summende Leuchtstoffröhre war diagonal an der Decke angebracht, und von ihr kam ein mattes Licht, das dem blassen Gesicht der jungen Ärztin eine ungesunde Tönung gab. Vermutlich auch seinem, obwohl er dunklere Haut hatte.
Ein vages Gefühl des Hebens und Senkens und das Empfinden, dass sich Zimmer und Lichtschacht ein wenig von einer Seite zur anderen bewegten, rangen mit dem Eindruck, dass sie sich in einem konventionellen Gebäude an Land aufhielten. Es gab eine gewisse Regelmäßigkeit, eine Periodizität in Hinsicht auf die verschiedenen Oszillationen, und Vatueil konzentrierte sich auf die Intervalle. Es schienen mindestens zwei zu existieren: ein langes, das fünfzehn bis sechzehn Herzschläge dauerte, und ein kürzeres, etwa ein Drittel so lang. Er maß mit Herzschlägen, weil es im Zimmer weder eine Uhr noch ein Terminal oder andere Möglichkeiten der Zeitmessung gab. Die Ärztin trug zwar eine Uhr, aber sie war so klein, dass Vatueil ihre Anzeigen nicht lesen konnte.
Vermutlich befanden sie sich auf einem Schiff oder Kahn. Vielleicht gehörte das Zimmer zu einer schwimmenden Stadt. Er wusste es nicht; er war einfach nur an diesem Ort erwacht und saß auf diesem einfachen Stuhl in einem einfachen Zimmer, und eine junge Ärztin hatte ihn dazu aufgefordert, sich Bilder auf einem alten Schirmgerät anzusehen, einem Fernseher. Eine Erkundungsrunde durch den Raum hatte er bereits hinter sich: Die Tür war verschlossen, und der Lichtschacht reichte vier Stockwerke in die Tiefe, bis zu einem Hof, auf dem Blätter und Abfälle lagen. Die junge Ärztin hatte dagesessen, ihn aufgefordert, Platz zu nehmen, und sich Notizen auf ihrem Klemmbrett gemacht, während er bestrebt gewesen war, mehr über seine Umgebung herauszufinden. Die Schubladen des Schreibtischs– aus Holz und abgenutzt wirkend– waren ebenfalls abgeschlossen, und das galt auch für den einen grauen Aktenschrank. Kein Telefon, keine Komm-Schirme, kein Terminal und nicht der geringste Hinweis darauf, dass irgendetwas Intelligentes zuhörte oder zugegen war. Es gab sogar einen Schalter für die Leuchtstoffröhre an der Decke.
Vatueil hatte der Ärztin über die Schulter gesehen, um festzustellen, was sie schrieb, aber ihre Notizen waren in einer Sprache gehalten, die er nicht verstand. Er fragte sich, wie lange er dies ertragen konnte, bevor er damit begann, der jungen Frau zu drohen, oder bis er versuchte, die nicht sonderbar stabil wirkende Tür aufzubrechen.
Er sah zur offensichtlich eingehängten Decke auf. Vielleicht war er imstande hinausklettern.
» Sagen Sie mir, was Sie wissen wollen«, brummte er.
Die Ärztin schrieb erneut etwas und schlug die Beine übereinander. » Was, glauben Sie, möchten wir von Ihnen wissen?«
Vatueil hob die Hände zum Gesicht, rieb sich Nase, Wangen und Ohren. » Woher soll ich das wissen?«
» Warum, glauben Sie, sollten wir irgendetwas von Ihnen wissen wollen?«
» Ich habe Sie angegriffen«, sagte er und deutete auf das Holzgestell mit dem gewölbten Schirm, den Fernseher. » Das war ich auf den Bildern. Ich war die Speerspitze, die Sie angegriffen hat.« Er gestikulierte vage und sah sich um. » Aber ich wurde abgeschossen. Vermutlich hat man uns alle abgefangen. Und jetzt bin ich hier. Was auch immer Sie von mir retten konnten, bestimmt haben Sie alles erfahren. Sie brauchten nur einen Blick auf den Code zu werfen und einen Teil davon laufen zu lassen. Mich brauchen Sie nicht, und deshalb frage ich mich, warum ich hier bin. Die einzige mir plausibel erscheinende Antwort lautet: Sie möchten noch etwas anderes erfahren. Oder ist dies der erste Kreis der Hölle? Muss ich für immer hierbleiben und mich zu Tode langweilen?«
Die Ärztin schrieb eine weitere Notiz. » Vielleicht sollten wir uns noch einmal die Aufzeichnung ansehen«, schlug sie vor. Vatueil seufzte. Sie schaltete den Fernseher wieder ein, und wieder fiel eine schwarze Speerspitze aus einem von Blitzen durchzuckten Himmel.
» Es ist nichts weiter, nur der Tod.«
Yime lächelte dünn. » Ich glaube, Sie verharmlosen unseren Beruf, Mr. Nopri, wenn Sie dem Ende des Lebens so gleichgültig gegenüberstehen.«
» Ich weiß, ich weiß, ich
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