Krieg der Seelen: Roman (German Edition)
schreckliche Landschaft hinab, die jetzt aber nicht mehr näher kam. Er versuchte, den Blick von ihr abzuwenden, schaffte es aber nicht.
Der dunkle Engel sagte: » Aber wir wollen keine Gnade an Sie verschwenden.« Der Engel machte ein klickendes Geräusch mit dem Mund, und Vatueil starb.
Vatueil saß im Trapez-Raum auf dem Trapez, schwang langsam von einer Seite zur anderen, summte vor sich hin und wartete.
Die anderen erschienen nacheinander. Man konnte erkennen, wer seine Freunde waren und wer nicht– es hing davon ab, wer seinem Blick begegnete oder ihn mied. Jene, die das Hacken für Vergeudung wertvoller Zeit gehalten hatten– für kaum mehr als einen tolpatschigen Hinweis an den Feind, dass sie in Verzweiflung gerieten –, sahen Vatueil an und lächelten. Die anderen, die ihm zugestimmt hatten, nickten ihm nur kurz zu und wandten sich ab, wenn er sie ansah, schürzten die Lippen, kratzten sich im Fell, reinigten ihre Fußnägel und so weiter.
» Es hat nicht geklappt«, sagte Gelb.
So viel zu einer Einleitung, dachte Vatueil. Nun, sie führten ohnehin kein Protokoll.
» Nein«, bestätigte er und zupfte an einer Stelle seines Fells, wo die Haare zerzaust waren.
» Ich glaube, wir wissen alle, wie der nächste und letzte Schritt aussieht«, sagte Violett. Sie alle sahen sich an, in einer Art förmlichen Symmetrie aus Blicken, die sich nacheinander begegneten, Nicken und gemurmelten Worten.
» Lassen Sie es uns ganz klar ausdrücken«, sagte Vatueil nach einigen Momenten. » Wir sprechen darüber, den Krieg ins Reale zu tragen. Wir sprechen darüber, gegen die Regeln zu verstoßen, zu deren Einhaltung wir uns freiwillig verpflichtet haben, als dies alles begann. Wir sprechen darüber, die Grundsätze und Prinzipien zu missachten, die uns so viel bedeuteten, für die wir gelebt und gekämpft haben. Wir sprechen darüber, die ganze Konfliktion, der wir drei Jahrzehnte unseres Lebens gewidmet haben, irrelevant und bedeutungslos zu machen.« Er legte eine kurze Pause ein und ließ seinen Blick über die anderen schweifen. » Wir reden hier vom Realen. Es wird keine Resets geben, und während einige auf zusätzliche Leben zurückgreifen können, besteht für die meisten eine solche Möglichkeit nicht. Tod und Leid, von uns verursacht, werden echt sein, und das gilt auch für die Schuld, die wir auf uns laden. Sind wir wirklich bereit, das alles auf uns zu nehmen?« Erneut musterte Vatueil die anderen der Reihe nach und zuckte die Schultern. » Ich bin dazu bereit«, sagte er. » Was ist mit Ihnen?«
» Wir haben bereits darüber gesprochen«, sagte Grün. » Wir…«
» Ich weiß, aber…«
» Sollten wir…«
» Können wir nicht…«
Vatueil übertönte sie alle. » Bringen wir es mit einer Abstimmung hinter uns, einverstanden?«
» Ja, lasst uns nicht noch mehr Zeit vergeuden«, sagte Violett und sah Vatueil demonstrativ an.
Sie stimmten ab.
Sie saßen eine Weile da, unbewegt oder sanft auf ihren Trapezen hin und her schwingend. Niemand sagte etwas. Dann:
» Lasst das Chaos losbrechen«, sagte Gelb resigniert. » Der Krieg gegen die Hölle bringt die Hölle ins Reale.«
Grün seufzte. » Wenn dies schiefgeht, wird man uns zehntausend Jahre lang verfluchen.«
Violett schnaubte. » Selbst wenn es gutgeht, werden uns viele eine Million Jahre verfluchen.«
Vatueil schüttelte langsam den Kopf. » Möge uns das Schicksal beistehen.«
18
E s gab nichts Schlimmeres als einen Loser, der es zu etwas gebracht hatte, fand Veppers. Es gehörte zum Lauf der Dinge– zu den Komplexitäten des Lebens, glaubte er–, dass manchmal jemand, der es verdiente, zu den Unterdrückten und Geknechteten zu zählen, zum Abschaum der Gesellschaft, das Glück hatte, eine Position des Reichtums, der Macht und der Bewunderung zu erlangen.
Leute, die natürliche Gewinner waren, wussten wenigstens, wie man sich in Prunk und Pracht bewegte, ob ihre Vorherrschaft auf das Glück zurückging, reich und mächtig geboren zu sein, oder auf das Glück, ehrgeizig und tüchtig auf die Welt gekommen zu sein. Loser, die es zu etwas gebracht hatten, waren immer eine Enttäuschung.
Veppers hatte nichts gegen Arroganz– er war großzügig damit ausgestattet, wie man ihm immer wieder bestätigt hatte–, aber man musste sich die Arroganz verdienen, sie musste hart erarbeitet sein. Oder es musste wenigstens ein Vorfahr hart dafür gearbeitet haben.
Arroganz ohne Grund, Arroganz ohne Leistung, oder einfach nur reines Glück anstelle
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