Krieg der Seelen: Roman (German Edition)
zeigte, dass das, was sie im Realen und in der Hölle erlebt hatte, wirklich geschehen war. Sie hatte es sich nicht nur eingebildet.
» Du meinst, es wird Zeit für mich zu sterben?«
» Ja, Chay.«
» Nun, ich muss dich enttäuschen, was auch immer du zu sein behauptest. Wenn man die Dinge aus einem bestimmten Blickwinkel sieht, bin ich bereits tot. Der König der Hölle höchstpersönlich hat mich umgebracht.« Chay lachte, und es klang nach einer Mischung aus Glucksen und Röcheln. » Es war zumindest ein ziemlich großer Bursche. Wenn man die Sache hingegen aus einer anderen Perspektive sieht…«
» Chay, du hast hier gelebt, und jetzt wird es Zeit für dich zu sterben.«
» …kannst du mich gar nicht töten«, sagte Chay, die seit vielen Jahren Oberin des Refugiums war und somit daran gewöhnt, dass man sie nicht unterbrach.
» Denn an dem Ort, woher ich komme, lebe ich noch– das nehme ich wenigstens an. Und dort werde ich weiterleben, welche Tricks du auch…«
» Chay, du musst jetzt still sein und dich darauf vorbereiten, deinem Schöpfer gegenüberzutreten.«
» Ich habe keinen Schöpfer. Das Universum hat mich geschaffen, beziehungsweise meine Eltern. Sie lebten noch, als ich in die Hölle wechselte. Wie wär’s, wenn du dich ein wenig nützlich machst und mir sagst, wie es ihnen geht? Leben sie noch? Oder sind sie gestorben? Nun? Was ist? Nein? Dachte ich mir. Von wegen › Schöpfer‹. Welchen abergläubischen Unsinn willst du mir her auftischen?«
» Chay!«, rief das Wesen. Ziemlich laut, dachte Chay, und das musste sehr laut sein, denn sie hörte nicht mehr gut. Doch die junge Novizin auf dem Stuhl neben dem Bett rührte sich nicht. Chay war froh, dass sie sich die Mühe gespart hatte, das Mädchen zu wecken. » Du stirbst jetzt«, teilte ihr die Erscheinung mit. » Wünschst du dir nicht, Gott zu sehen und Ihre Liebe zu empfangen?«
» Ach, mach dich nicht lächerlich. Es gibt keinen Gott.« Das glaubte sie, das hatte sie immer geglaubt, aber sie warf einen nervösen Blick zur schlummernden Novizin.
» Was?«, heulte der Engel. » Denkst du denn gar nicht an deine unsterbliche Seele?«
» Ach, verdammt, leck mich«, erwiderte Chay. Dann hielt sie plötzlich inne und fühlte sich schrecklich. Solche Worte im Beisein einer Novizin zu benutzen! Seit über zwei Jahrzehnten hatte sie nicht mehr laut geflucht. Sie war die Oberin, und Oberinnen fluchten nicht. Einen Moment später ärgerte sie sich über die eigene reuige Verlegenheit. Was spielte es für eine Rolle? » Ja«, sagte Chay, während der sogenannte Engel des Lebens und des Todes mit seinen unmöglich großen Flügeln schlug und sie anstarrte. » Leck mich. Und verpiss dich. Hau ab, du armseliges zusammengeschustertes Weder-ganz-das-eine-noch-das-andere-Ding. Tu, was du unbedingt tun musst; bringen wir diesen Unfug hinter uns.«
Der große dunkle Engel schien ein wenig zurückzuweichen, kam dann wieder nach vorn und schloss die Schwingen erst ums Bett und dann um Chay, die sagte: » O, Mist. Ich wette, es tut weh.«
Das Schiff ragte fast dreihundertfünfzig Meter im halbdunklen Hangar auf, der Rumpf glatt bis auf die fünf dunklen Waffenblasen in halber Höhe. Der verjüngte Bug wies drei noch längere Blasen auf.
» Sieht wundervoll retro aus«, sagte Veppers. » Was genau ist es?«
Das fremde Wesen, das ihn zuvor begrüßt hatte, wandte sich ihm zu. » Unter Berücksichtigung von Rechtsbehelfen auf der Grundlage von Gesetzen, die noch nicht existieren, handelt es sich um das Modell einer Allgemeinen Angriffseinheit der Kultur, Mörder-Klasse.«
Veppers dachte darüber nach. » Bedeutet das, wir haben es hier mit einem Modell zu tun, das größer ist als das Original?«
» Ja!«, sagte der GFKF ianer und klatschte in die kleinen Hände. » Größer ist besser, ja?«
» Normalerweise schon«, pflichtete Veppers dem Wesen bei und runzelte die Stirn.
Sie standen auf einer Beobachtungsgalerie und blickten in einen zylindrischen Hangar, einen Kilometer hoch und einen halben breit. Man hatte ihn aus dem kompakten Eis und Fels eines der zahllosen Objekte in der Oort’schen Wolke des Tsung-Systems geschnitten. Die klumpige Ansammlung von Eis, in der sich die GFKF -Basis befand, und darin wiederum dieser Hangar, hatte genug Masse für eine Schwerkraft von einem Prozent Standard– wenn man beim Niesen den Kopf gesenkt hielt, konnte man abheben. Das Schiff, dem ihre Aufmerksamkeit galt– der Rumpf zeigte einen prächtigen
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