Krieg im Himmel
sie.
Darüber musste ich gründlich nachdenken. Eigentlich sollte ich Angst haben, große Angst. »Nein«, sagte ich schließlich.
»Ist das nicht immer die beste Methode?«
»Wofür?«
»Um Frieden zu schließen. Man versucht, die andere Seite zu verstehen.« Es klang sehr naiv, wie sie es sagte. Aber es half mir, mich an unseren Altersunterschied zu erinnern. Etwas, worüber ich nicht allzu viel nachdenken wollte, falls mir die Antworten nicht gefielen, die meine Fragen nach sich zogen.
»Ich glaube nicht. Ich glaube, mächtige Leute treffen irgendwelche Vereinbarungen. Deine Methode wäre viel besser, aber keineswegs einfacher, weil wir uns nach einem Krieg daran gewöhnt haben, die andere Seite als weniger menschlich zu betrachten.«
»Meine Methode wäre besser gewesen, wenn wir sie schon vor dem Krieg angewendet hätten.«
»Also würden SIE dich einfach reinlassen?«, wechselte ich das Thema.
»Ich wäre nicht die Erste.«
Ich sah, wie sie mit einem schelmischen Grinsen zu mir aufblickte. Eine Andeutung der Kindheit, die sie nie gehabt hatte.
»Wie meinst du das?«
Ihr Gesichtsausdruck änderte sich. »Kommst du jetzt damit klar? Nach allem, was sie dir angetan haben?«
Noch eine komplizierte Frage. Ich streichelte ihr Haar und blickte ihr in die Augen. Sie waren wie Spiegelbilder ihrer echten Augen. Jetzt würde sie mich immer nur durch eine Maschine sehen, genauso, wie ich sie sah. So lebte ich schon so lange, dass ich mich gar nicht mehr erinnern konnte, wie es war, mit natürlichen Augen zu sehen.
»Wenn man aufgerüstet wird, ist es zuerst richtig cool. Die neuen Fähigkeiten, die man hat, sind total aufregend. Man ist stärker, viel schneller, man sieht weiter, hört mehr. Aber ein erschreckend großer Teil des eigenen Körpers besteht aus Maschinen.« Ich spürte, wie sie mit den Fingern über die vernarbte Haut meines Brustkorbs strich. Dabei musste sie die Härte der Panzerung unter der Haut spüren. »Man hat das Gefühl, dass ein Teil von einem fehlt oder nicht an der richtigen Stelle sitzt. Es ist, als würde man wissen, dass etwas nicht stimmt, ohne zu wissen, was nicht stimmt. Manche Leute haben es so beschrieben, dass es sich anfühlt, als wären sie selber das Gespenst, vor dem sie sich erschrecken. Solche Sachen sagen Leute, die wenig später verrückt werden.« Meine Fingerspitzen spielten mit den Anschlüssen in ihrem Genick. »Ich will einfach nur an dem festhalten, was noch von mir übrig ist.«
Sie zog sich das Haar über die Anschlüsse. »Wie fühlst du dich?«, fragte sie.
»Richtig gut«, antwortete ich, ohne nachzudenken, und war selber von meinen Worten überrascht.
»Alle dachten, du würdest durchdrehen.«
»So war es doch auch, oder?«
»Aber nicht so schlimm, wie wir befürchtet hatten. Mudge sagte, du würdest entweder versuchen, dich durch die Membran zu werfen« – auf gar keinen Fall, ich konnte Vakuum nicht ausstehen – »oder dich an die Toilettenkreatur verfüttern.« Sie erschauderte, als sie das sagte. Ich glaube, sie mochte die Toilettenkreatur nicht besonders.
»Ja, sonst ist hier niemand ein Alien.«
»Du hast gesagt, ich sei eins.«
»Wie oft muss ich mich noch dafür entschuldigen? Ich habe gesehen, was mit Crom geschehen ist.« Nenn es nicht Gregor! »Und ich will nicht wie Rolleston werden.«
»Du willst nicht gegen Railgun-Beschuss immun sein?«
Darüber dachte ich kurz nach. »Das käme auf den Preis an.« Dann überlegte ich, ob ich über irgendwelche außergewöhnlichen Fähigkeiten verfügte. Wahrscheinlich würde ich es erst dann herausfinden, wenn ich in eine sehr schlimme Situation geriet. Sofern ich es nicht mit selbstverletzendem Verhalten probierte.
»Fühlst du dich wie ein Mensch?«, fragte sie.
Darüber musste ich lachen.
»Was ist?«
»Das Seltsame ist, dass ich mich schon lange nicht mehr so menschlich gefühlt habe.«
»Also wirst du es akzeptieren und …«
»Was?«
»Und nicht wie ein Idiot herumzicken.«
Wieder lachte ich, und sie lächelte. Dann schwiegen wir und genossen es einfach nur, zusammen zu sein. Während wir die emsigen Aliens beobachteten und versuchten, Mudges würgenden Husten auszublenden. Es war romantisch.
»Was werden SIE tun?«, fragte ich. Unsere Informationen über Crom waren bestenfalls fragmentarisch, aber die Clique hatte wahrscheinlich immer noch die Möglichkeit, mehr davon zu produzieren. Diese Leute konnten SIE entweder vernichten oder unter ihre Kontrolle bekommen, wenn sie es
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