Krieger des Feuers - Sanderson, B: Krieger des Feuers - The Well of Ascension, Mistborn 2
versteht, Herrin.«
Vin schnaubte. »Du klingst wie Sazed. Ein Teil von mir möchte gern glauben, dass all diese Prophezeiungen und Legenden von Priestern erfunden wurden, die sich damit ihren Lebensunterhalt verdient haben.«
»Nur ein Teil von Euch glaubt das?«, fragte OreSeur; er klang amüsiert.
Vin schwieg kurz und nickte. »Das ist der Teil von mir, der auf der Straße groß geworden ist. Der Teil, der immer und überall Betrug wittert.« Der Teil, der ihre anderen Gefühle nicht anerkennen wollte.
Das dumpfe Pochen wurde stärker und stärker.
»Prophezeiungen sind nicht unbedingt immer Betrug, Herrin«, sagte OreSeur. »Und sie sind eigentlich auch kein Verspechen für die Zukunft. Man kann sie einfach als Ausdruck der Hoffnung ansehen.«
»Was weißt du denn schon von diesen Dingen?«, fragte Vin geringschätzig und legte ihr Blatt beiseite.
Es entstand ein Moment des Schweigens. »Natürlich nichts, Herrin«, sagte OreSeur schließlich.
Vin wandte sich dem Hund zu. »Es tut mir leid, OreSeur. ich wollte nicht … ich fühle mich in der letzten Zeit bloß so verunsichert. «
Bumm … bumm … bumm …
»Ihr müsst Euch nicht bei mir entschuldigen, Herrin«, sagte OreSeur. »Ich bin nur ein Kandra.«
»Aber du bist immer noch eine eigenständige Person«, erwiderte Vin. »Wenn auch eine mit Hundeatem.«
OreSeur lächelte. »Ihr habt diese Knochen für mich ausgesucht, Herrin. Jetzt müsst Ihr auch die Konsequenzen tragen. «
»Die Knochen könnten wirklich etwas mit dem Geruch zu tun haben«, meinte Vin und stand auf. »Aber ich glaube eher, dass es von dem Aas kommt, das du frisst. Wir sollten dir ein paar Minzblätter zum Kauen besorgen.«
OreSeur hob eine Hundebraue. »Glaubt Ihr nicht, ein Hund mit frischem Atem würde Aufmerksamkeit erregen?«
»Nur wenn du in nächster Zukunft zufällig jemanden küssen solltest«, erwiderte Vin und kehrte zu ihren Papierstapeln auf dem Schreibtisch zurück.
OreSeur kicherte leise auf seine Hundeart und betrachtete wieder die Stadt.
»Ist die Prozession schon vorbei?«, fragte Vin. »Ja«, antwortete OreSeur. »Es ist zwar selbst von hier oben aus schwer zu erkennen, aber es sieht so aus, als ob Graf Cett vollständig in die Stadt eingezogen wäre. Er hat eine ganze Menge Wagen mitgebracht.«
»Er ist Allriannes Vater«, sagte Vin. »Auch wenn sich das Mädchen über mangelnde Bequemlichkeit in der Armee beklagt hat, wette ich, dass Cett gern komfortabel reist.«
OreSeur nickte. Vin lehnte sich gegen den Schreibtisch, sah
den Kandra an und dachte an das, was er vorhin gesagt hatte. Ein Ausdruck der Hoffnung …
»Die Kandras haben doch auch eine Religion, oder?«, mutmaßte Vin.
OreSeur drehte sich abrupt um. Das war ihr bereits Antwort genug.
»Kennen die Bewahrer sie?«, fragte sie.
OreSeur stand auf den Hinterbeinen und hatte die Pfoten wieder auf die Scheiben gelegt. »Ich hätte nichts sagen sollen.«
»Du brauchst keine Angst zu haben«, versicherte Vin ihm. »Ich werde dein Geheimnis nicht verraten. Aber ich verstehe nicht, warum es unbedingt ein Geheimnis bleiben muss.«
»Das ist eine ausschließliche Angelegenheit der Kandras, Herrin«, sagte OreSeur. »Es würde niemanden sonst interessieren. «
»Natürlich würde es das«, widersprach Vin ihm. »Verstehst du das denn nicht, OreSeur? Die Bewahrer glauben, dass die letzte unabhängige Religion schon vor vielen Jahrhunderten vom Obersten Herrscher ausgelöscht wurde. Wenn es den Kandras gelungen ist, ihre eigene Religion zu bewahren, dann bedeutet das, dass die theologische Kontrolle des Obersten Herrschers über das Letzte Reich nicht uneingeschränkt war. Und das ist doch sehr wichtig.«
OreSeur schwieg und hielt den Kopf schräg, als ob er darüber nachdachte.
Seine theologische Kontrolle war nicht uneingeschränkt?, dachte Vin und wunderte sich über ihre eigenen Worte. Oberster Herrscher! Jetzt rede ich schon wie Sazed und Elant. Ich habe wohl in der letzten Zeit zu viel gelesen.
»Wie dem auch sei, Herrin«, sagte OreSeur, »ich würde es jedenfalls Euren Bewahrerfreunden lieber nicht erzählen. Sie könnten unbequeme Fragen stellen.«
»So sind sie nun einmal«, meinte Vin und nickte. »Was für Prophezeiungen gibt es eigentlich in deinem Volk?«
»Ich glaube nicht, dass Ihr das wirklich wissen wollt, Herrin.«
Vin lächelte. »Sie handeln davon, dass unsere Herrschaft gebrochen wird, nicht wahr?«
OreSeur setzte sich; sie erkannte beinahe das Erröten in seinem
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