Krieger des Friedens: Roman - [Robert the Bruce 2] (German Edition)
Rußflecken auf, die Tische und Bänke, die einst hier gestanden hatten, waren verschwunden, sodass der Raum einer leeren Hülle glich, einer Echokammer für das gedämpfte Dröhnen des Meeres. Auf dem Boden lagen Decken und Säcke voller Habseligkeiten – offenbar hatte die Halle Boyd und seinen Männern als Baracke gedient. In ein paar Wandhaltern brannten Fackeln.
Robert entdeckte einen Stofffetzen an der Wand und trat darauf zu. Als er den ausgefransten, versengten Rand anhob, erkannte er, dass das alles war, was von dem Wandbehang übrig geblieben war, der den Moment zeigte, wo Malcolm Canmore seinen Rivalen Macbeth getötet, den Thron bestiegen und die Dynastie gegründet hatte, von der die Familie Bruce abstammte.
Alexander musterte ihn einen Moment lang, bevor er das Wort ergriff. »Ich bringe Nachrichten, Bruder.« Er sog den Atem ein, als Robert sich zu ihm umdrehte. »Unser Vater ist tot.«
Robert ließ den verbrannten Wandbehang abrupt los.
»Er hat sich im Winter eine Lungenkrankheit zugezogen und sich nicht mehr davon erholt. Kurz nach Weihnachten ist er gestorben.«
Robert lehnte sich gegen die Wand. Eine Erinnerung flammte in seinem Kopf auf: diese Halle, von Musik und Fackelschein erfüllt. Sein Vater stand hinter der Haupttafel, einen Weinkelch in der Hand, und sah zu, wie Marjorie mit ihrer kleinen Tochter Christina in den Armen tanzte. Als sich seine Frau im Rhythmus der Flöten und Trommeln drehte und Christina vor Freude quiekte, spielte ein Lächeln um die Lippen des Mannes.
Die Wand an Roberts Rücken fühlte sich kalt und feucht an. Er konnte verkohltes Holz, modrigen Stein und den bitteren Duft des Meeres riechen.
»Ich habe Isabel in Norwegen und Christina, Mary und Matilda in Mar benachrichtigt«, fuhr Alexander gestelzt fort. »Ich nehme an, du kannst unsere Brüder informieren?«
»Thomas und Niall habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Als ich zuletzt von ihnen gehört habe, waren sie bei James Stewart. Hat er sehr gelitten?«, fragte Robert plötzlich.
Alexander starrte ihn einen Moment lang an, dann wandte er den Blick ab. »Nein«, erwiderte er ruhig. »Er starb im Schlaf. Am Tag zuvor hat er die Beichte abgelegt, und ihm wurden die Sterbesakramente erteilt.«
»Von dir?«
»Nein. Aber ich war bei der Zeremonie anwesend.«
»Danke, Bruder.«
Alexander wirkte überrascht. Die Furchen auf seiner Stirn verschwanden, und auf einmal sah er in seinem schmucklosen braunen Gewand wieder wie der kleine Junge aus, an den Robert sich erinnerte. Er trat einen Schritt auf ihn zu. Zaghaftes Mitgefühl spiegelte sich in seinem Gesicht wider. »Robert, ich …«
Draußen erklang lautes Stimmengewirr.
Robert blickte sich, über die Störung verärgert, ungehalten um, doch als er sich wieder zu Alexander wandte, sah er, dass sein Bruder sich gestrafft und sein Gesicht sich verschlossen hatte. »Ich sollte nachsehen, was da los ist«, sagte er.
Alexander nickte stumm und versuchte nicht, ihn zurückzuhalten.
An der Tür zum Hof wäre Robert beinahe mit Nes zusammengeprallt. Hinter der Schulter des Knappen sah er zwei Männer mit Pferden am Tor stehen. Andrew Boyd war, von einer Gruppe von Rittern umringt, bei ihnen. Alle überschütteten die Neuankömmlinge mit Fragen und bemühten sich, sich gegenseitig zu übertönen, um sich Gehör zu verschaffen.
»Was ist geschehen?«, erkundigte sich Robert.
»Zwei von Sir Andrews Männern sind aus Ayr zurückgekommen, wo sie weitere Arbeiter anheuern wollten. Dort ist eine Truppe eingetroffen, die aus dem Wald geflohen ist. Sie sagen, John Comyn und seine Armee wollen sich König Edward ergeben. Sir, sie sagen, der Krieg wäre vorbei!«
37
St. Andrews, Schottland, A.D. 1304
DIE EDELLEUTE VON SCHOTTLAND drängten sich in der großen Halle der Burg von St. Andrews. Von ihren durchweichten Umhängen tropfte Wasser auf die steinernen Bodenplatten. Der Gestank von feuchtem Pelz und schalem Schweiß vermischte sich mit dem stechenden Metallgeruch von Rüstungen, Männer husteten in der nasskalten Luft. Draußen regnete es in Strömen, graue Schleier hingen über der Stadt und dem windgepeitschten Sandhalbmond rund um den Felsvorsprung, auf dem die Burg erbaut war.
Von der Höhe des Podests in der Halle aus musterte König Edward die durchnässte, klägliche Schar. Seine Beamten standen zu beiden Seiten seines Throns. Während er darauf wartete, dass die letzten Männer in den Raum strömten, ließ er den Blick über die Menge schweifen.
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