Kriegssinfonie Band 1: Soldat (Die Kriegssinfonie) (German Edition)
gewesen.
Kann man zugleich Arzt und Krieger sein?
Er ließ einige Zeit verstreichen und kontrollierte immer wieder den Puls der Frau. Als sich ihr Zustand nicht änderte, regte sich Verzweiflung in ihm. Der Sonnenaufgang stand kurz bevor, als ihm eine Idee kam.
Khazan?
Doch das Tamarin war eingeschlafen und gab sägende Laute von sich.
Shade berührte vielleicht zum hundertsten Mal den Hals der Frau und fühlte nach ihrem Puls. Er war da, schwach, unregelmäßig. Sie würde in diesem Koma bleiben, das wurde ihm klar. Außer er würde etwas unternehmen.
Shade nahm all seinen Mut zusammen und verschloss mit seinen Händen die Mund- sowie Nasenöffnungen der Frau. Ein paar Herzschläge lang passierte nichts. Der Körper erbebte, als der nötige Sauerstoff nicht nachgeliefert werden konnte und dann plötzlich erschlaffte er. Shade keuchte, er hatte nicht gemerkt, dass er selbst den Atem angehalten hatte.
So schnell, ich habe nicht gewusst, dass es so schnell geht.
Schweiß rann ihm den Rücken hinab. Mit geschlossenen Augen tauchte er mit seinem Geist in die Seele der Frau ein. Sein Körper sackte leblos zusammen und er wusste, dass die Barriere, die den Zelteingang versperrt hatte, verschwunden war.
Aber dieses Risiko muss ich jetzt eingehen.
Er fiel durch Dunkelheit, bis er sich plötzlich in einer Eislandschaft wiederfand. Sein Atem bildete kleine Dampfwolken. Der Ort war kalt und Shade wünschte, er hätte mehr an als seine dünnen Leinenhosen.
Er drehte sich einmal um die eigene Achse, um die Landschaft genauer zu erfassen. Von irgendwoher würde der Angriff kommen.
Der Himmel war tief verhangen. Ab und an zuckte Licht durch die Wolken, doch das Donnern blieb aus. Das einzige Geräusch war sein Atem und das Knirschen des Eises, wenn er sich bewegte.
Ich bin ein besserer Kämpfer geworden. Es sollte kein Problem sein.
Shade wirbelte herum. In seiner linken Hand befand sich eine dünne, lange Klinge. Entgeistert starrte er die Frau an, die ihm nun gegenüberstand. Oder nein, ihre bloßen Füße berührten den Schnee nicht. Sie schwebte einige Fingerbreit darüber. Sie war von bestechender Schönheit und bedachte ihn mit einem undurchdringlichen Blick. Ihr nackter Körper strahlte eine Kälte aus, die Shades Gesicht verbrannte. Unwillkürlich trat er einen Schritt zurück. Er konnte nicht richtig atmen, wenn die Luft um ihn herum so kalt war.
Die Dämonin lächelte grausam. Langsam, fast schon behutsam berührte sie das Eis zu ihren Füßen. Ein Speer aus gefrorenem Wasser raste auf Shade zu. Sein Langschwert verfloss zu einem runden Schild, hinter den er sich gerade rechtzeitig duckte. Die Dämonin gab ein erstauntes Fauchen von sich. Offenbar war sie enttäuscht, dass ihr Angriff fehlgeschlagen war. Shade spähte über den Rand seines Schildes und zog seinen Kopf hastig zurück. Zwei Eisspeere zersplitterten an seinem Schild. Bevor die Dämonin Zeit hatte, erneut anzugreifen, stürmte er auf sie los. Er war schnell und sie konnte nicht ausweichen. Er rammte sie mit voller Wucht und brachte sie aus dem Gleichgewicht. Während sie durch die Luft flogen, veränderte Shade die Form der Schatten und stieß, gerade als sie den Boden berührten, eine kurze Klinge durch die Rippen in das kalte Herz der Dämonin. In ihren eisblauen Augen spiegelte sich Erstaunen, als ihr Körper verdampfte. Eine Sonne durchbrach die Wolken. Mit einem erleichterten Seufzer verließ Shade die zum Leben zurückkehrende Seele.
Er taumelte und fiel auf den Zeltboden. Jemand räusperte sich.„Soll ich fragen?“, wollte Maerkyn wissen. „Du hast Glück gehabt, dass nur ich hier war. Khazan ist frei herumgelaufen und um diese Frau sind Schatten gewabert. Überhaupt: Wer ist sie? Hast du sie?“
Doch Shade gebot seinem Freund, den Redeschwall zu unterbrechen, denn er hatte bemerkt, wie die zum Leben erweckte Frau allmählich zu sich kam. Sie sah ihn mit dem gleichen verstörten Blick an wie alle anderen, die er bisher zurückgeholt hatte. Verwirrt blickte sie an sich herunter und bemerkte das getrocknete Blut auf ihrem Hemd. Ruckartig setzte sie sich auf.
Rasch kniete sich Shade zu ihr. „Ich bin Arzt. Ich habe versucht, dir das Leben zu retten!“
Doch die Frau war schon auf den Beinen und floh aus dem Zelt. Maerkyn sah ihr nach.
„Soll ich sie wieder einfangen?“
„Nein“, antwortete Shade müde.
„Sie würde es sowieso nicht begreifen können.“
„Es ist nicht einfach. Ich spreche aus eigener Erfahrung. Warum
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