Kriminalpolka - Kommissar Zufall ermittelt
Dutzend unterschiedlichster Hornsignale beherrschen, mit denen man den Standort der Wale vor der Küste kundtat und die Seefahrer vor Kollision mit den Kolossen warnte. Er hatte dies bis ins Detail perfektioniert und auch ins Privatleben übernommen, was die familieninterne Kommunikation auf gewisse Weise vereinfachte.
Wo in anderen Fällen der Gong zum Essen rief, war es bei van Faarens das Walhorn. Zweimal lang, viermal kurz, einmal lang rief zu Tisch. Und wenn die Frau des Hauses nach einem der Kinder fragte, gab es für Garten , Schule , Keller und Klo eindeutige Signale, die die Stimme schonten.
Und wenn der Walrufer des Abends von der Arbeit nach Hause kam, signalisierten fünf kurze, drei lange und sieben ganz kurze Töne aus dem Naturinstrument, die er beim Erreichen des Wohnviertels von sich gab, dass seine Frau das Abendessen auf den Herd stellen konnte.
Nach 15 Jahren und einem Gehörsturz ließ sie sich scheiden und zog mit den beiden Kindern zu ihren Eltern nach Haarlem bei Amsterdam. Dort kam schließlich Jantje zur Welt.
Seines Großvaters Beruf lebt bis heute in dem kleinen südafrikanischen Städtchen Hermanus fort, wo der Whalecryer den whalewatchenden Touristen mit seinem Horn die Standorte der Wale kundtut. Das Originalhorn hatte Jantjes Opa jedoch seinem Enkel vermacht und so den Grundstein für seine Liebe zur Blasmusik gelegt. Jantje van Faare hielt das Walhorn seines Großvaters bis zum heutigen Tag in Ehren und gab mit seinem Horn das Kommando zum Catering. Zweimal lang, viermal kurz, einmal lang. Aber hatte er ein Motiv, wegen der Erfindung der digitalen Trompete einen Mord zu begehen?
Joe verneinte.
»G’wiss ned«, sagte er. »Wenn se an digitals Walhorn erfunda hättet, dann scho. Aber dr Jantje isch froh, wenner auf seim zwoita Flügelhorn dr Ton grad halta ka, der hot koi Angschd vor dr digitala Konkurrenz.«
Also blieb nur noch der Dritte im Bunde. Joe pfiff durch die Zähne, als ich seinen Namen nannte. Elvis-Leonid Vraungnechd. Startrompeter und Kultfigur von Pepe Plasmas Blasmusik .
Musiker aus allen Himmelsrichtungen verehrten ihn, Frauen kamen nur wegen ihm in die Konzerte. Denn Elvis spielte nicht nur wie ein Gott, er sah auch göttlich aus. Gestylt von den gegelten Haarspitzen bis zu den modischen Schuhen, die er ständig trug. Seine Stellung ließ ihm gewisse Freiräume, und so war er auch der Einzige im Ensemble, der von der strengen Uniformregelung befreit war.
Ähnlich wie Vico und die beiden Sängerinnen, die sich ebenfalls nicht in die enge Plasmatracht zwängen mussten, trug auch Elvis-Leonid zur abgewetzten krachledernen Trachtenhose und den rot-weißen Ringelsocken nicht die vorgeschriebenen Strohschuhe, sondern Cowboyboots seiner Wahl, die – vor allem bei den zahlreichen Soli im Programm, bei denen er an der Bühnenrampe stand – glänzend zur Geltung kamen.
Statt des Trachtenhemds mit schmuckem Jankerl trat Elvis-Leonid im geriffelten weißen Unterhemd auf. Eine Kleiderordnung, die ihm Pepe Plasma aus zwei Gründen zugebilligt hatte: Zum einen transpirierte er im ärmellosen Zustand weitaus unauffälliger, da man den Achselschweiß nur roch, aber nicht sah. Zum anderen kamen Trizeps und Bizeps seines durchtrainierten Bodybuilderkörpers auf diese Weise viel besser zur Geltung, was nicht selten zu Ohnmachtsanfällen weiblicher Fans führte, wenn er bei der Solonummer ›Silberschäden‹ inmitten des Publikums auf einem Tisch stehend die Kadenzen schmachtend rotzte.
Ja, er war in der Tat eine Ausnahmeerscheinung im Orchester und ein Ohrenschmaus, wenn er mit geschlossenen Augen und haarigen Achselhöhlen seiner Trompete die höchsten Signale entlockte, von denen höchst selten auch nur eines daneben ging.
Die Lippen eng aufeinander gepresst, die Wangen wie Bogensehnen gespannt, die Stirn kraus, der Kopf rot und kleine Schweißperlen auf den Schläfen, so kannten, ja so liebten ihn die Fans. Und sie hatten ihm wegen seiner Perfektion beim Pfeifen der hohen Signaltöne einen Namen gegeben, der in Musikerkreisen Legende war: das Murmeltier . Kein anderer außer den kleinen Alpentierchen pfiff wie Elvis-Leonid.
Dabei hatte der Trompeter lang selbst über einen Künstlernamen nachgedacht. Vraungnechd passte nicht zu seinem Charakter, fand er, zumal er sich mit seinen knapp 40 Jahren noch immer jugendlich und unwiderstehlich vorkam.
Er hatte sich zum ersten Mal an seinem zweiten Vornamen gestört, als ihn seine Freundin Heidi Klötzli aus Unterägeri im
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