Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)
Kreuzesfahne führt durch Kampf zum Sieg.
Unser Herr und Meister fürchtet keinen Feind;
Vorwärts denn zum Kampfe mit dem Herrn vereint! (1864)
Die Forderung nach einem »muskulösen Christentum « wurde erstmals in einer Rezension von Kingsleys Roman Two Years Ago im Jahr 1857 laut. In jenem Jahr wurde die Vorstellung von »Christi Streiter « durch die Aktionen der britischen Truppen bestärkt, die den indischen Aufstand niederschlugen. Der Gedanke, Jungen zum Kämpfen für die christliche Sache auszubilden, spielte freilich auch eine wichtige Rolle in Hughes’ Fortsetzung von Tom Browns Schuljahre , dem Roman Tom Brown at Oxford (1861), in dem Athletik gepriesen wird, weil sie einen männlichen Charakter, Teamwork, Ritterlichkeit und moralische Stärke fördere – Eigenschaften, durch welche die Briten zu guten Kriegern geworden seien. »Auch der Geringste der muskulösen Christen hegt den alten ritterlichen und christlichen Glauben, dass der Körper eines Mannes ihm geschenkt wird, um ausgebildet und unterworfen und dann für den Schutz der Schwachen, die Unterstützung aller gerechten Anliegen und die Unterjochung der Erde, die Gott den Menschenkindern geschenkt hat, verwendet zu werden .« 13 Den Kern dieses Ideals bildete eine neue Konzentration auf physisches Training und auf die Beherrschung des Körpers als Form der moralischen Stärkung für die Zwecke des heiligen Krieges. Ebendiese Eigenschaft brachte man mit der Widerstandsfähigkeit der leidenden Soldaten auf der Krim in Verbindung.
Doch auch jenes Leiden trug dazu bei, die allgemeine Vorstellung vom britischen Soldaten zu verändern. Vor dem Krieg hatte die ehrbare Mittel- und Oberschicht die einfachen Soldaten für kaum mehr als einen lasterhaften Pöbel gehalten: dem Trunk verfallen und undiszipliniert, brutal und gottlos und aus den ärmsten Gesellschaftskreisen stammend. Die Qualen der Soldaten auf der Krim hatten aber ihre christlichen Seelen offenbart und sie zum Gegenstand »guter Werke « und evangelikaler Hingabe gemacht. Die religiöse Fürsorge für die gemeinen Soldaten nahm während des Krieges erheblich zu. Die Armee verdoppelte die Zahl ihrer Geistlichen, und jeder Soldat erhielt kostenlos eine Bibel, finanziert durch Spenden der Mittelschicht an die Gesellschaft für die Förderung christlichen Wissens und an die Marine-und-Militär-Bibelgesellschaft. 14
Die Soldaten wurden nun in den Augen vieler Evangelikaler zu vorbildhaften Gestalten, zu Märtyrern für eine heilige Sache. Unter anderem sah dies auch Catherine Marsh so, von deren lebhafter und sentimentaler Hagiografie Memorials of Captain Hedley Vicars, Ninety-Seventh Regiment (1856) in den ersten Jahren nach der Veröffentlichung über 100 000 Exemplare verkauft wurden; das Buch erschien bis zum Ersten Weltkrieg immer wieder in zahlreichen gekürzten Versionen und in Jugendbuchausgaben. Memorials , zusammengestellt aus Vicars’ Tagebucheinträgen und Briefen an seine Mutter von der Krim, war dem »edlen Ideal des christlichen Soldaten « gewidmet. Das Buch wurde der Öffentlichkeit als »frische und gründliche Widerlegung derjenigen « angeboten, »die trotz aller Gegenbeispiele immer noch behaupten, dass die völlige Hingabe des Herzens an Gott einen Mann viele aktive Pflichten des Lebens kosten muss und … dass jemand, der einen guten Christen heranzieht, einen guten Soldaten verderben könnte « . Vicars wird als Soldat und Heiliger gezeichnet, als selbstloser Held, der seinen Kameraden auf den Anhöhen von Sewastopol etwas von der Last abnimmt, indem er sein Essen und sein Zelt mit ihnen teilt, sie betreut und ihnen, wenn sie krank sind, aus der Bibel vorliest. Vicars führt seine Männer zu einem »heiligen Krieg « gegen die Russen, die als »Heiden « , »Ungläubige « und »Wilde « beschrieben werden. Er wird während des Ausfalls vom 22./23. März 1855 tödlich verwundet, und Marsh vergleicht seinen Tod im letzten Kapitel (»Sieg « ) mit dem Märtyrertum Christi. Diesem Kapitel ist ein Gedicht von Longfellow (die Übersetzung eines Werkes des spanischen Poeten Jorge Manrique) vorangestellt:
So obsiegte Geist dem Leibe;
Kein seiner Sinne mindern
Durft’ das Sterben.
Angesichts von seinem Weibe,
Seinen Brüdern, seinen Kindern,
Leibeserben,
Gab er Dem, der sie ihm gab,
Seine Seel’; der woll ihm schenken
Himmels Glorie.
Und obwohl er sank ins Grab,
Gönnt uns reichen Trosts Gedenken
Die Memorie.
Vicars wurde in Sewastopol begraben, doch in der
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