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Kristin Hannah - Wenn das Herz ruft

Titel: Kristin Hannah - Wenn das Herz ruft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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schleimiger Husten ihre Brust.
    Francis starrte auf die blasse, verwelkte alte Frau. Ihr weißes Haar, mit der Perfektion eines Friseurs gebürstet und gekämmt, kräuselte sich auf dem angegrauten Kopfkissen wie Büschel von Gänsedaunen. Er nahm ihre andere Hand, die so schlank und zerbrechlich war, und drückte sie sanft.
    Stumpfe, wässerig blaue Augen, deren Winkel in Falten von gerunzeltem Fleisch steckten, blinzelten ihn an. Selbst jetzt, in den letzten, von Schmerz erfüllten Tagen ihres Lebens, strahlte sie eine ruhige Sanftmütigkeit aus, die sein Herz anrührte.
    »Segnen Sie mich, Vater, denn ich habe gesündigt.«
    Sie sprach so leise, dass er sich vorbeugen musste, um die Worte zu hören.
    »Ich habe zum letzten Mal vor zwei Wochen gebeichtet. Ich bekenne mich schuldig...«
    Francis presste seine Augen zu und schluckte den Kloß, der seine Kehle wie alter Staub verschloss. Wann hast du das letzte Mal wirklich gesündigt, Ilyaf Wann?
    Wie konnte ein gütiger Gott eine solche Frau mit so viel Elend beladen? Eine liebende, sorgende Frau, die nie einer Seele etwas zuleide getan hatte. Ihr ganzes Leben lang hatte sie Menschen geholfen und jetzt lag sie hier. Krebs fraß sich durch ihre Knochen, breitete sich hoffnungslos wie ein Virus durch ihr Blut aus.
    Und was war mit Edward, ihrem Ehemann, mit dem sie siebenundfünfzig Jahre verheiratet gewesen war? Was würde er nach ihrem Tod tun, wie würde er in diesem Zuhause weiterleben, das sie für ihn geschaffen hatte?
    »Edward«, sagte sie leise, »hol Vater Francis eine Tasse Tee.«
    Edward ließ die Hand seiner Frau los und verließ das Bett, verschwand in der Küche.
    Sie wartete darauf, dass die Küchentür leise ins Schloss fiel, bevor sie sprach. »Vater...« Sie hielt inne, holte tief und zitternd Atem, wobei sich ihre Hand in seinem Griff zu einer Faust ballte. »Ich habe Angst um ihn, Vater. Der Ausdruck seiner Augen in letzter Zeit... Er ist noch nicht auf meinen Tod vorbereitet.«
    Francis berührte ihr Gesicht, streichelte sanft die samtweichen Falten. »Ich werde ihm helfen, Ilya. Ich werde für ihn da sein.«
    »Ich kann nicht mehr lange bleiben. Der Schmerz ...« Tränen rannen über ihre Schläfen. Sie drückte seine Hand. »Passen Sie auf ihn auf, Vater. Bitte ...«
    Francis wischte die feuchte Spur von ihrer Haut und versuchte zu lächeln. »Gott wird auf Edward aufpassen und Er ist unendlich fähiger als ich. Gott hat immer einen ...«
    Plan.
    Er konnte den Satz nicht beenden. Er hatte dies Millionen Mal gesagt, aber jetzt konnte er nicht sprechen. Er musste etwas sagen, das wirklich wichtig war, etwas, das den Schmerz dieser gütigen Frau lindern würde, aber da war nichts. Nichts.
    »Natürlich hat Er einen Plan«, flüsterte sie und machte es ihm damit schmerzhaft leicht. »Es ist nur ... mein Edward ...«
    Tränen verwischten alles vor Francis' Augen. Er überlegte angestrengt, was er an Bedeutungsvollem sagen könnte, aber ihm fiel nichts ein, und so verfiel er ins Übliche, in die Routine, erteilte ihr Absolution für ihre Sünden - obwohl er wusste, dass es keine gab, jedenfalls keine wirklichen - und segnete zum tausendsten Mal ihre Seele.
    »Danke, Vater.«
    Er starrte in Ilyas blaue Augen, sah die Schärfe des Lebens in all ihrer wundersamen, schmerzerfüllten Schönheit widergespiegelt in ihrem Blick. Er sah all die Dinge, die er sich selbst verweigert hatte, all die Straßen, die er nicht genommen hatte. Und plötzlich dachte er Dinge, die er nicht denken sollte.
    Fünfunddreißig Jahre lang hatte Francis allein geschlafen, war in sein schmales Holzbett auf Laken gekrochen, die nach seinem Aftershave rochen. Einmal nur wollte er auf Kissen schlafen, die nach Parfüm dufteten.
    Es hatte ihm genügt, den Lauf der Welt zu verfolgen, die Kinder anderer Menschen zu lieben, mit den Frauen anderer Männer zu sprechen. Aber jetzt, als er hier neben Mrs Fiorelli saß, ihre welke Hand hielt, wusste er, wie viel er aufgegeben hatte. Er könnte eine Million Kinder taufen und keines von ihnen würde ihn jemals Daddy nennen.
    Er war ein Zuschauer des Lebens gewesen. Er liebte Gott noch immer, aber manchmal, in der Tiefe einer kalten, dunklen Nacht, sehnte er sich nach menschlichem Kontakt. Nach Madelaine. In den letzten Jahren hatte er sich Hunderte Male aus dem Bett geschwungen, sich auf den harten Boden gekniet und um Wegweisung und Kraft gebetet.
    Mut. Das war es, was er brauchte, gerade jetzt für Mrs Fiorelli und für sich selbst. Es war

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