Kristin Hannah - Wenn das Herz ruft
schließlich. »Nachdem du gegangen warst, bekam Alex einen Wutanfall.« Sie lachte müde auf. »Du wirst das Kind dieses schmierigen, kleinen Spaghettifressers nicht haben, verstehst du}«, sagte sie, Alex' schreiende Stimme perfekt nachahmend. »Er sperrte mich drei Tag lang in meinem Zimmer ein. Ich wartete darauf, dass du...« Sie schenkte ihm ein versiertes Lächeln. »Als ich die Harley sah, wusste ich, was du getan hattest.«
»Mad...«
Sie streifte eine nicht vorhandene Haarsträhne aus ihrer Stirn und fuhr fort, ohne ihn anzusehen. »Alex befahl mir, das Kind abtreiben zu lassen und dass kein Wort mehr über diese Schande verloren werde.« Sie atmete zitternd ein. »Ich willigte ein. Was hätte ich anderes tun können, wohin hätte ich sonst gehen können?«
Sie schluckte schwer und starrte auf ihre Hände. »Ich stieg in die Limousine und ließ mich von dem Fahrer zu der Praxis des Arztes bringen, mit dem Alex den Termin vereinbart hatte. Ich wollte einfach tun, was er verlangte, ihn entscheiden lassen, was das Beste für mich sei.« Sie schüttelte den Kopf. »Mir war alles völlig egal.«
Er schaute zu, wie sie nach vorne sank und lange Zeit nichts sagte. Dann richtete sie sich langsam auf und hob ihr Kinn. Er wusste, dass sie einen schmerzlichen Kampf austrug und auf die einzige Weise kämpfte, die sie kannte, auf die Art, die Alex sie gelehrt hatte.
Nach ein paar weiteren Sekunden fuhr sie fort und ihre Stimme war ausdruckslos. »Alles änderte sich, als ich in die Klinik kam.« Sie erschauerte ihr leerer Blick fiel auf die graue Wand. »Dieses kalte Ziegelgebäude ... die gelben Sofas, auf denen Mädchen wie ich saßen. Ich erinnere mich, wie mein Name aufgerufen wurde. Ich zuckte zusammen. Ich folgte der Krankenschwester in das Untersuchungszimmer und zog meine Kleider aus. Ich zog dieses dünne Krankenhaushemd an und stieg auf den mit Papier bedeckten Tisch.«
Sie schauderte wieder. »Ich starrte auf diese Fußhaltebügel und dachte daran, was sie mit mir machen würden, mit meinem Baby... mit unserem Baby, und ich konnte es nicht tun.«
Ihr Schmerz durchbohrte ihn wie ein Messer, tat ihm fürchterlich weh. »Gott, Mad...«
»Ich zog mich an und schlich mich hinaus. Die Limousine wartete am Bordstein, aber ich wusste, dass es kein Zurück gab. Alex hatte das sehr klar gesagt. Ich konnte ihn nur erfreuen - ihn, den großen, unfreundlichen Alexander Hillyard -, indem ich abtreiben ließ. So wandte ich mich an die einzige Person, die mir einfiel.«
Angel wusste es, bevor sie es sagte.
»Francis.« Sie lächelte, als sie seinen Namen aussprach. »Du erinnerst dich, wie er damals war. Achtzehn. Scheu, ein Bücherwurm. Er war gerade in das Seminar eingetreten und auf dem Wege, Priester zu werden. Aber er kümmerte sich an diesem Tag um mich, und am nächsten Tag und am Tage darauf. Er rettete uns beide.« Sie stieß ein kaum vernehmliches Lachen aus. »Er stellte keine Fragen, sagte nichts außer He, Maddy-Mädchen, du bist im falschen Teil der Stadt. Er brachte mich in einem Heim für schwangere Teenager unter und es gefiel mir. Ich hatte nie andere Kinder meines Alters kennen gelernt, hatte nie Freunde außer dir, und ich lernte eine Menge. Meinen Highschool-Abschluss hatte ich bereits und so ging ich mit sechzehn aufs College. Gott sei Dank hatte mir meine Mutter ein Treuhandvermögen hinterlassen, mit dem ich die Kosten decken konnte. Ich kniete mich in die Arbeit, um das Medizinstudium so schnell wie möglich zu schaffen.«
Angel schloss seine Augen. Er konnte jeden Augenblick ihres Lebens deutlich vor sich sehen, sehen, wie Francis immer da gewesen war, um ihr zu helfen, eine Zuflucht vor jedem Sturm. Anders als Angel, der niemals für etwas oder jemand geblieben war.
»Sie heißt Angelina Francesca Hillyard. Ich nenne sie Lina.«
Ich nenne sie Lina. Plötzlich war sie eine Person, dieses Mädchen auf dem Foto, das sein Gesicht hatte. Nicht ein imaginäres Wort oder Bild, sondern eine reale Person. Eine Tochter, die etwas von ihrem Vater wollen würde. Viele Dinge wollen würde.
Plötzliche Panik erfüllte ihn, so heftig, dass er sich wand. »Weiß sie von mir?«
»Nein.«
Er seufzte erleichtert auf. »Gott sei Dank.«
»Du sagtest, du hättest von einem kleinen Jungen geträumt ...«
»Träume«, sagte er niedergeschlagen und starrte an die Decke. Er spürte deutlich, dass er wieder den falschen Weg ging, dass er das Falsche tat, aber er konnte es wie immer nicht ändern. Wollte es
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