Kristin Lavranstochter 1
nachgibst.“
„Was meinst du damit?“ fragte der Vater und blickte scharf auf. „Mancher Mann begrüßt seinen Schwiegersohn und weiß es nicht“, sagte Ragnfrid.
Es war, als erstarre der Mann. Langsam wurde er weiß im Gesicht.
„Du, ihre Mutter!“ sagte er heiser. „Hast du ... Hast du - so sichere Zeichen gesehen, daß du deine eigene Tochter dessen zu beschuldigen wagst?“
„Nein, nein“, sagte Ragnfrid rasch. „Ich meinte nicht das, was du denkst. Aber niemand kann wissen, was geschehen ist oder was noch geschehen kann. Sie hat keinen anderen Gedanken als den einen, daß sie diesen Mann liebt - das habe ich gesehen. Sie könnte uns eines Tages zeigen, daß sie ihn lieber hat als die Ehre - oder das Leben!“
Lavrans sprang auf.
„Bist du närrisch! Kannst du von unserem schönen guten Kind so etwas denken! Sie kann doch nicht weit gekommen sein, dort, wo sie war - bei den Nonnen. Sie ist doch keine Stalldirne, soviel ich weiß, die sich hinter einem Zaun wegwirft. Du mußt doch verstehen, sie kann diesen Mann weder oft gesehen noch oft gesprochen haben - das gibt sich wohl wieder; es ist doch nur die Laune eines jungen Mädchens. Gott weiß, es ist für mich schwer genug, zu sehen, wie sie sich abhärmt, aber du magst mir glauben, es wird mit der Zeit vorübergehen!
Leben, sagst du, und Ehre. - Hier, daheim auf meinem eigenen Hof, kann ich wohl über meine Tochter wachen. Auch glaube ich nicht, daß eine Jungfrau aus gutem Geschlecht und erzogen im Christentum und in Ehrbarkeit sich so schnell von Ehre oder Leben trennt. He, über so etwas machen die Leute ihre Lieder - aber ich denke es mir so: wenn ein Mann oder ein Mädchen in Versuchung ist, so etwas zu tun, so machen sie eine Weise daraus, und damit ist ihnen geholfen, und sie lassen es sein.
Du selbst...", sagte er und blieb vor seiner Frau stehen. „Es gab einen anderen, den du lieber gehabt hättest, zu der Zeit, als wir beide verheiratet wurden. Was glaubst du, wie es dir ergangen wäre, wenn dein Vater dich in diesem Falle nach deinem Willen hätte handeln lassen?“
Nun war es Ragnfrid, die totenbleich wurde.
„Jesus Maria! Wer hat dir gesagt...“
„Sigurd auf Loptshof sagte etwas davon - bald nachdem wir in dieses Tal gezogen waren“, erwiderte Lavrans. „Aber antworte mir auf das, was ich dich gefragt habe, glaubst du, du wärest froher geworden, hätte Ivar dich jenem Manne gegeben?“
Ragnfrid stand mit tiefgesenktem Kopf da.
„Jener Mann“, antwortete sie fast unhörbar, „wollte mich nicht haben.“ Es ging wie ein Ruck durch ihren Körper - sie stieß mit der geballten Hand in die Luft hinaus.
Da legte Lavrans behutsam die Hände auf ihre Schultern.
„Ist es dies ?“ fragte er überwältigt. Und ein tiefes und trauriges Staunen brach durch seine Stimme durch. „War es dies -in allen diesen Jahren? Hast du um ihn getrauert - Ragnfrid?“
Sie zitterte heftig, sagte aber nichts.
„Ragnfrid?“ fragte er wie zuvor. „Aber später - als Björgulv
tot war - und dann - als du - als du wolltest - daß ich so zu dir sei - wie ich nicht sein konnte. Dachtest du da an den anderen?“ flüsterte er angstvoll und verwirrt und gequält.
„Wie kannst du auf solche Gedanken kommen“, flüsterte sie, dem Weinen nahe.
Lavrans lehnte seine Stirne gegen die ihre und bewegte den Kopf ein wenig hin und her.
„Ich weiß nicht. Du bist so seltsam - alles, was du heute abend sagtest. Ich erschrak, Ragnfrid. Ich verstehe mich wohl nicht auf Frauensinn.“
Ragnfrid lächelte bleich und legte ihre Hände um seinen Hals.
„Gott mag es wissen, Lavrans - ich bettelte bei dir, weil ich dich mehr liebte, als es für eines Menschen Seele gut ist. Und ich haßte den anderen so, daß ich fühlte, wie sich der Teufel darüber freute.“
„Ich habe dich gern gehabt, mein Weib“, sagte Lavrans leise und küßte sie, „von ganzer Seele. Das weißt du doch? Mich dünkte, wir hatten es gut zusammen - Ragnfrid?“
„Du warst der beste Mann“, sagte sie mit einem kleinen Schluchzen und schmiegte sich an ihn.
Er umfaßte sie heftig.
„Heute nacht würde ich gerne bei dir schlafen, Ragnfrid. Und wolltest du so gegen mich sein wie in alten Zeiten, dann würde ich nicht solch ein Narr sein ...“
Ragnfrid erstarrte in seinen Armen, entzog sich ihnen ein
wenig.
„Es ist jetzt Fastenzeit“, sagte sie leise - seltsam hart.
„Das ist wahr.“ Der Mann lachte ein wenig. „Du und ich, Ragnfrid, wir haben alle Fasten gehalten
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